Korrespondenz mit NDR Kultur

Vorbemerkung: Die Bedeutung dieses Dokuments
Dieser Brief an die Internet-Kontaktecke von NDR Kultur ist der erste Brief, den der Initiator des GANZEN Werks, Theodor Clostermann, an den NDR geschickt hat. Er hatte bis Ende Dezember 1999 durch das digitale Satellitenradio (DSR) im Kabelnetz die ganze Fülle der deutschen Kulturprogramme kennengelernt, konnte danach als Kultursender nur noch Radio 3 (NDR 3) empfangen und war über den ständigen Niedergang dieses Programms sehr enttäuscht. Die halbe „Reform“ unter Gernot Romann und Wolfgang Knauer ab Januar 2003 brachte bei ihm das Fass zum Überlaufen. Dieses Projekt und die wenigen Presseartikel zu den Verflachungen mehrerer ARD-Kulturwellen (die zum Beispiel inzwischen auf dieser Homepage dokumentiert sind) waren dem Hörer Clostermann zu diesem Zeitpunkt unbekannt.
Bis zur Gründung des Initiativkreises Das GANZE Werk war es dann - im Gegensatz zu der Behauptung von NDR-Intendant Prof. Jobst Plog in seinem ersten Brief vom 25. Mai 2004 an Herrn Clostermann, ihm sei „nicht (...) an einer sachlichen Diskussion über NDR Kultur gelegen“ - ein geradliniger Weg:
- zweiteilige Kritikreihe (Januar/Februar 2003, d.h. dieser und der nächste Brief),
- dreiteilige Kritikreihe „Mein schönstes Hörerlebnis“ mit einer abschließenden offiziellen Information der HTG (Januar/Februar 2004),
- die Antwort des Musikchefs von NDR Kultur, Michael Schreiber (26. Februar 2004),
- der Brief an die neue Wellenchefin von NDR Kultur, Barbara Mirow (16. April 2004),
- die Resolution „Kritik an NDR Kultur“ der Hamburger Telemann-Gesellschaft (25. April 2004),
- der Brief an den Intendanten des NDR, Prof. Jobst Plog (30. Mai 2004) und
- die Gründung des Initiativkreises Das GANZE Werk (15. Juni 2004).

Erster Brief der zweiteiligen Kritikreihe des Hörers Theodor Clostermann nach dem Beginn der halben „Reform“ von NDR Kultur unter Gernot Romann und Wolfgang Knauer (15. Januar und 2. Februar 2004)

Reinbek, 15. Januar 2003

An die Internet-Kontaktecke von NDR Kultur

„Vor einer Woche habe ich mich als langjähriger Stammhörer von Ihrem Sender verabschiedet“

Frühe Grundsatzkritik an der halben „Reform“ seit Jahresbeginn 2003

Anlass des Briefes: Eine durchkomponierte Sinfonie von Carl Philipp Emanuel Bach „wird rücksichtslos nach dem ersten Satz ausgeblendet“

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Liebe Macher von NDR-Kultur,

nach zu viel Crossover-Getue bei einer Sendung bis 8.30 Uhr vor einer Woche habe ich mich als langjähriger Stammhörer von Ihrem Sender innerlich und als regelmäßiger Hörer verabschiedet.

Dieser Mischmasch und das ganze Drumherum geht mir auf die Nerven. Das ist nicht die Musik, die ich von einem Sender erwarte, der die Kultur auf seine Fahnen schreibt und der einen öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag zu erfüllen hat.

Auch die immer mehr um sich greifende Zerstückelung von Kompositionen in einzelne Sätze kann ich nicht nachvollziehen. Das findet jetzt sogar im ehemaligen Herzstück der Alten Musik, bei „Concerto“ statt.

Selbst dort, wo Komponisten eine Sinfonie ausdrücklich als ein Ganzes behandeln - die am Sonntag bei Ihnen angespielte „Hamburger Sinfonie“ in G-Dur, Wq 182 Nr. 1 von C.Ph.E.Bach ist durchkomponiert -, wird rücksichtslos nach dem ersten Satz ausgeblendet.

Schon seit einiger Zeit waren viele Sendungen von N3 beste Ratesendungen (ohne diesen Anspruch zu haben), weil die Informationen über die Musikstücke wie Werkverzeichnisnummer, Tonart und Interpreten immer spärlicher wurden und, wenn überhaupt, dann oft auch nur einmal kamen. Nicht selten nach dem Motto: „Und jetzt hören Sie Musik von Mozart...“, „Es folgt jetzt ein Stück von Beethoven...“ usw.

Also: „Und jetzt hören Sie Worte von Schröder“, „Und jetzt hören Sie einen Text von Schiller“, „Wir bringen jetzt die Kopfszene der Feuerzangenbowle“ (im Fernsehen), „Nach dem Finale von Fitzcarraldo unterhalten wir Sie noch mit den neuesten Sambarhythmen aus Rio“.

Ist das die Kultur der Zukunft?

Wo bleibt der Respekt vor den Komponisten, vor den Interpreten und auch vor den interessierten Zuhörern, die Radio nicht als beliebige Geräuschkulisse benutzen?

Bis vor 3 Jahren, bis Ende Dezember 1999, gab es noch das digitale Satellitenradio (DSR), bei dem man eine Reihe Kultursender in bester Qualität empfangen konnte, der NDR 3 war auch dabei. Das wurde ersatzlos gestrichen, mein DSR-Gerät schlummert als museales Wertstück im Keller vor sich hin.

Nun der nächste Schnitt: Alte und Klassische Musik wird immer mehr zum Verschnitt und mit Fremdem gewürzt.

Wie soll man sich da noch musikalisch bilden können, wenn die Zusammenhänge immer mehr verloren gehen? Und wenn ein Hörer im Radio wie am letzten Sonnabend berichtet, dass er nur Musik bis 1750 hört, wird er gleich vom Moderator als „Barockfanatiker“ ein- oder abgestuft.

Quo vadis?

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Theodor Clostermann.

Lesen Sie den zweiten Brief der zweiteiligen Kritikreihe des Hörers Theodor Clostermann:
„Ein Glück, dass ich heute am 2. Februar 2003 nicht Geburtstag habe!“
Divertimento „Geburtstag“ von Joseph Haydn: zu hören war nur der erste Satz, „der letzte Satz ist das eigentliche Geburtstagsständchen“ - 2. Februar 2003

Lesen Sie die allgemein gehaltene Antwort von NDR Kultur:
„Gesammelte Antwort“ von Wolfgang Knauer, Februar 2003

Lesen Sie zum Vergleich:
Resolution der Initiative Das GANZE Werk

Lesen Sie zum Sinfoniesatz auch:
Der erste Satz einer durchkomponierten Sinfonie wird zum Rausschmeißer umfunktioniert... - Plötzlich verstummte die Musik auf NDR Kultur...
NDR Kultur - 21. November 2006, Klassisch in den Tag, 8.27 Uhr