NDR - Korrespondenz

Förmliche Beschwerde beim Rundfunkrat
über das Programm von NDR Kultur


Helmut von Dreising 30968 Hemmingen, den 14. Dezember 2004


An den
Vorsitzenden des Rundfunkrates
Herrn Dr. Karl-Heinz Kutz
c/o NDR
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg

Betr. NDR Kultur



Sehr geehrter Herr Dr. Kutz!

Ich habe mir die neue Programmgestaltung von NDR Kultur lange angehört, um nicht vorschnell zu urteilen; inzwischen bin ich allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass der permanent eingestreute Werbeslogan falsch ist und eigentlich „Kultur hat keinen Namen“ lauten müsste. Für Interessierte der klassischen Musik ist die Sendung eine Zumutung:

- es werden fast immer nur einzelne, kurze Sätze eines Werkes gespielt (Häppchen-Kultur); das ist so, wie wenn in einer Dichterlesung nur der dritte Vers vorgelesen wird;
- permanent erfolgt ein aufdringlicher Jingle;
- es gibt keine vollständigen An- und Absagen;
- die Eigenwerbung des NDR für Veranstaltungen nimmt einen übergrossen Raum ein (es gibt auch noch Kultur neben dem NDR!);
- die Moderation ist teilweise wenig fachkundig;
- die Moderation ist häufig beziehungslos (so wird z.B. dankenswerterweise über die Neuentdeckung eines Klavierwerkes für die linke Hand von Hindemith berichtet, aber es folgt danach nicht etwa das besprochene Werk, sondern völlig andere Musik!)
- Musikstücke werden ohne historischen Bezug wahllos aneinandergereiht (so wurde am Buß-und Bettag auf eine Aufführung des Deutschen Requiems von Brahms hingewiesen, die entsprechende Musik wurde unterlegt und sofort im Anschluss kam der Song von Mackie Messer aus der Dreigroschenoper); beide Werke werden von mir hochgeschätzt, doch nicht in diesem Zusammenhang;
- einige sehr bekannte, vor allem virtuose Werke, werden ständig in kurzen Abständen wiederholt (Klarinettenkonzerte von Weber, Bolero, Badinerie aus der 2. Orchestersuite von Johann Sebastian Bach u.a.);
- Kammermusik findet fast überhaupt nicht statt;
- die Berichterstattung über die Hochschule für Musik und Theater Hannover kommt schon seit Jahren äusserst kurz.

Zusammengefasst kann man sagen, dass das Kulturprogramm von sehr einfacher Machart ist, um es freundlich auszudrücken; die Erwartungen des - zugegebenermassen - kleinen Hörerkreises sind anspruchsvoll und werden in keiner Weise erfüllt. Die vorherige Programmgestaltung war besser und bewegte sich nicht auf dem Niveau der POP-Kultur. Es ist bedauerlich, dass Eingaben von zahlreichen Zuhörern von Herrn Gernot Romann geringschätzig und überheblich abqualifiziert worden sind. Auch über die Hamburger Telemann-Gesellschaft (Initiative Das GANZE Werk) sind eine grosse Anzahl von Beschwerden eingegangen, die völlig ignoriert wurden.

Ich beschwere mich förmlich über die Programmgestaltung und begehre eine Befassung der zuständigen Gremien.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Helmut von Dreising

ccIntendant Jobst Plog
Vorsitzende des Verwaltungsrates
Dr. Freifrau von Richthofen
Hamburger Telemann-Gesellschaft e.V.
Ministerpräsident Wulff

Anmerkungen:
- Vorsitzende des Rundfunkrates ist seit Ende Oktober 2004
Frau Gräfin von Kerssenbrock (das wusste Herr von Dreising noch nicht).
- Der Brief ist redaktionell leicht korrigiert worden.