kulturradiorbb - Moderation

Sonntag, 3. August 2008, „Sonntagskonzert“

Nun ist es erreicht - eine Premiere!

Eine Glosse nach einem enttäuschenden Hörerlebnis

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Von Hansjoachim Hölzel

Wieder ist eine neue, wesentliche Hemmschwelle überschritten, ab jetzt kann man sich der endgültigen Liquidation der Gattung Sinfonie in den Programmen des kulturradiorbb widmen.

Im „Sonntagskonzert“ sind einführende Worte zur ganzen Sinfonie, dann aber nur die beiden ersten Sätze zu hören

Am Sonntag, 3. August 2008 kündigt das Kulturradio des rbb, der „Partner für Kultur“, ein Werk Antonin Dvoráks an, die nicht allzu häufig gespielte 5. Sinfonie. Nein, es kommt dann nicht zur Ausstrahlung eines Werkes von Smetana, was man aus Erfahrung bei böhmischen Komponisten immer befürchten muss. Nein, man stellt dem in Aussicht gestellten Werk - durchaus ein Novum - ein paar sachkundige Worte voran, die ausgesprochen neugierig machen. Und sagt dann, dass man nun die ersten beiden Sätze hören wird. Erklärt wird nicht das ohnehin nicht Erklärbare: das Warum!

Zahlt nun der Hörer zuwenig Rundfunkgebühren, so dass er gar keinen Anspruch auf eine vollständige Sinfonie hat? Sind die Sätze drei und vier aus Dvoráks Werk - entgegen der vollmundigen Einführung - so unbedeutend, dass man den Hörer nicht damit behelligen will?

Wie wäre es mit einer neuen Reihe: „Sinfonie in Sekunden“?

Oder ist es der erste Test für eine weitere große Schredderungsaktion? Schon vor Jahren im Programm von Radio Kultur und dann in der Regie von Jolyon Brettingham-Smith wurde die Oper ersatzlos geschrumpft: „Oper in einer Stunde“ oder so ähnlich. Wie die jungen Event-Regiematadore, die einem Shakespeare, einem Schiller oder Goethe nicht mehr über den Weg trauen, zerpflückte man die Oper. Zu lang, wen interessiere schon Rigolettos eingesackte und nicht sterbenwollende Tochter?

Könnte man nun nicht Zweifel an einer kompletten Sinfonie auch im „Sonntagskonzert“ geltend machen? Der eine oder andere Satz sei ja meist ganz schön, aber müsse es immer alles sein?

Wie wäre es mit einer neuen Reihe: „Sinfonie in Sekunden“? Jeweils die ersten 15 bis 20 Sekunden eines Sinfoniesatzes. Da könnte man 180 Sinfonien in einer einzigen Stunde vorstellen, der „Nebenbeihören“-Faktor wäre wunderbar bedient, und in einem Monat wäre die gesamte Weltsinfonik abgearbeitet.

Halt - vielleicht doch zwei Monate, denn nach jeder „20-Sekunden-Sinfonie“ müsste man ja den Hörer wissen lassen, dass dies alles das Kulturradio des rbb möglich mache, natürlich von den Rundfunkgebühren des Hörers bezahlt, und vielleicht auch noch, dass dies die wahre Art der Kulturvermittlung und viel bessere Erfüllung des Kultur- und Bildungsauftrages sei, weil sie ja vom „Partner für Kultur“ angeboten werde!

Und - wertes Kulturradio des rbb: Das Guinness-Buch wartet schon!

veröffentlicht am 22. September 2008