NDR Kultur - Offene Werbung

Zwei eklantante Werbefälle:
1. für das „14. Filmfest Hamburg“, 2. für die „NDR Kultur Karte“

Verbotene Werbung im Programm von NDR Kultur?

Nach dem Rundfunkstaatsvertrag und dem NDR-Staatsvertrag sind solche Fälle ausdrücklich unzulässig

Artikel speichern/drucken (Pdf)

Mehrfach ging NDR Kultur auf das „14. Filmfest Hamburg“ in seinen Berichten ein (zum Beispiel bei „Aktuell“ am 5. Oktober 2006 um 8.04 Uhr). Einen sehr bemerkenswerten Fall meldete uns ein Autofahrer, also ein Lieblingskunde von Hörfunkdirektor Gernot Romann. Um 9.45 und um 15.45 Uhr sendet NDR Kultur regelmäßig im Rahmen des Trailers „Kultur im Norden“ sechs Tipps für „kulturelle Höhepunkte heute“ (Moderationszitat) - drei längere und drei kürzere.

Ein Haupttipp am 6. Oktober 2006 war ganz direkt für das „14. Filmfest Hamburg“, das am Vortag eröffnet worden war und das noch bis zum 10. Oktober 2006 dauert. Es wurde ausdrücklich auf folgende Kinos hingewiesen: „Ufa-Palast Grindel, Abaton, Cinemaxx, Metropolis und 3001“, die auch auf den Plakaten stehen (siehe unten), die die Firma JCDevaux für teures Geld aufgehängt hat.

Darf NDR Kultur umsonst für das „14. Filmfest Hamburg“ Werbung machen, wofür das Filmfest bei JCDevaux richtig Geld zahlen muss?

Vielleicht zahlt das Filmfest weniger als regulär üblich, weil beide Firmen, Filmfest und JCDevaux, „Partner“ sind (siehe Homepage des Filmfests). Der NDR ist dort noch nicht einmal als „Partner“ angegeben, obwohl er es vielleicht in irgendeiner Form ist. Es ist aus unserer Sicht unerheblich, dass der NDR auf dem Filmfest selbst Filme zeigt.

Man merke sich die lukrativen Varianten:

- Entweder macht eine Firma irgendetwas Kulturelles im Sinne der Alltagskultur von NDR-Kultur-Wellenchefin Barbara Mirow und findet die Gnade des Senders, ...

- Oder die Firma bringt NDR Kultur dazu, irgendetwas bei ihr zu unternehmen, ...

und schon macht der Sender umsonst Werbung für die Firma. Oder gibt es geldwerte Gegenleistungen? Meistens wird eine solche Werbeaktion irgendwie als „Programmbeitrag“ kaschiert, hier ist dieser Bereich aber ganz eindeutig verlassen worden.

Seit dem Sommer belästigt uns NDR Kultur mit einem neuen Trailer für die „NDR Kultur Karte“: „Die ganze Vielfalt der Kultur im Norden“

NDR Kultur, der Kulturtipp. Möchten Sie die Konzerte der NDR-Orchester und des NDR-Chores zu vergünstigten Konditionen besuchen? Ihre Eintrittskarte dazu ist die NDR Kultur Karte. Bis zu 50 % Ermäßigung bei nahezu allen Konzerten der NDR-Orchester und des NDR-Chores, bei den Konzertreihen Das Alte und das neue werk sowie bei den Konzert- und Literaturreihen von NDR Kultur. Und: Sie erfahren alles über Ihr Programm, NDR Kultur. Die NDR Kultur Karte, die ganze Vielfalt der Kultur im Norden, für 15 Euro im Jahr. Mehr Informationen darüber erhalten Sie unter der Telefonnummer 0180-(XYZ) für 12 Cent pro Minute oder im Internet unter www.ndrkulturkarte.de.
Jingle. NDR Kultur - hören und genießen.

Nach den genaueren Erkundungsfeldzügen der EU-Kommission zu den Internet-Aktivitäten der ARD-Sender sind im letzten Jahr der „NDR Kultur Club“ und der „NDR Ticket Shop“ als Geschäftszweige der NDR Media GmbH von der NDR-Kultur-Homepage entfernt und auf die Homepage der NDR Media GmbH und auf eigene verlegt worden, um die Trennung von Programm und Kommerz einzuhalten. Wenn Sie auf der Seite von NDR Kultur unterhalb der Suchmaske bei „NDR Media GmbH“ das Feld „Kultur Karte“ auswählen und „OK“ anklicken, landen Sie auf der eigenen externen Homepage http://www.ndrshop.de/ndrshop/kulturkarte/index.html.

So ist es richtig. Falsch ist aber, dass NDR Kultur im Hörfunkprogramm für diese kommerzielle Aktivität Werbung macht.

Mit der Werbung für die „NDR Kultur Karte“ werden kommerzielle Interessen verfolgt - im Kulturbereich

Die NDR Media GmbH ist eine 100-prozentige Tochter des NDR. Zu ihren Geschäftsinteressen schreibt sie selbst:

NDR MEDIA GMBH ist als Tochterunternehmen des NDR zuständig für Werbezeitenbuchung und Marketing des Senders NDR und fungiert als Finanz- und Strategieholding der Studio Hamburg Gruppe. (Die Studio Hamburg Gruppe ist zu 100 % Eigentum der NDR Media GmbH.)

Zu dem Geschäftsbereich Marketing gehören:

- Events („Kulturereignisse - Die Bandbreite der Veranstaltungen garantiert die Ansprache nahezu aller relevanten Zielgruppen“)
- Crossmedia und Communication Center
- NDR Kultur Karte
- NDR Ticket Shop und NDR Shop
- NDR Mitschnittservice.

Durch die Werbung für die „NDR Kultur Karte“ werden die Hörer mehrfach getäuscht

a. Wenn Sie auf der eigenen Homepage „NDR Kultur Karte“ in dem Abschnitt „ERMÄSSIGUNGEN“ auf der Seite links zu den einzelnen Seiten Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Schleswig-Holstein gehen, finden Sie haufenweise viele derjenigen Kulturpartner wieder, die bevorzugt Gegenstand der Kulturberichterstattung auf NDR Kultur sind. Umsonst. Oder mit geldwerten Gegenleistungen, in welcher Form auch immer? Wer kein Kulturpartner von NDR Kultur ist oder es wegen der restriktiven Bedingungen des Senders in Vertragsangelegenheiten - Interessenten haben uns davon berichtet - nicht werden will, wird im Normalfall nicht bedacht. Es ist ein Geben und Nehmen. Ein Veranstaltungsteilnehmer sagte dazu einmal: „Eine Hand wäscht die andere“. Von der „ganzen Vielfalt der Kultur im Norden“ kann deshalb wirklich keine Rede sein.

b. Mit den NDR-Konzertterminen wird der Hörer tagsüber viel mehr als ihm lieb ist ständig bedrängt, auch mit den besonderen NDR-Kultur-Abendsendungen. Immer wieder, trailermäßig, musiksatzmäßig. Dazu braucht man die „NDR Kultur Karte“ nun wirklich nicht. Und dann? Mit der „NDR Kultur Karte“ „erfahren (Sie) alles über Ihr Programm, NDR Kultur“? Für die monatlich ca. 2.700 Einzelsätze des Senders tagsüber zwischen 6 und 19 Uhr gibt es selbst auf den nur kurzfristig bestückten Musiklisten häufig Ausfälle. Da sich das meiste wiederholt, ist es nach einiger Zeit auch weitgehend bekannt. Von den unsystematisch placierten täglichen „Kulturthemen“ werden nur die für den Sender interessanten im Internet präsentiert - andere Sender machen das systematisch. „Alles“ über das Programm erfahren? Wer glaubt das schon?

c. Der besondere Clou der Kulturkartenwerbung ist schließlich ein offensichtliches Eigentor. Bei dem Trailer wird ein Ausschnitt der Fantasie in c-moll für Chor, Klavier und Orchester, op. 80, von Ludwig van Beethoven eingeblendet. Aufnahmen dieses Werks dauern - soweit wir wissen - zwischen 18 Minuten (zum Beispiel mit John Eliot Gardiner oder mit Roger Norrington) und 21 Minuten (zum Beispiel mit Alfred Brendel und Bernhard Haitink). Weil nur in den seltensten Fällen Musiksätze mit einer Dauer von mehr als 14 Minuten gesendet werden, war die Chorfantasie am 25. Juli 2004 zum letzten Mal tagsüber zu hören - das war also vor mehr als zwei Jahren.

Verbotene Werbung im Programm von NDR Kultur?

Im Rundfunkstaatsvertrag ist unter anderem festgelegt:

§ 7 Werbung
(2) Werbung oder Werbetreibende dürfen das übrige Programm inhaltlich und redaktionell nicht beeinflussen. (...)
(3) Werbung und Teleshopping müssen als solche klar erkennbar sein. Sie müssen im Fernsehen durch optische Mittel, im Hörfunk durch akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein. (...)
(6) Schleichwerbung und entsprechende Praktiken sind unzulässig. (...)

§ 14 Dauer der Werbung
(5) Die Länder sind berechtigt, den Landesrundfunkanstalten bis zu 90 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt Werbung im Hörfunk einzuräumen (...)

Und im NDR-Staatsvertrag ist dazu festgelegt:

§ 30 Zustimmungsbedürftige Angelegenheiten
Der Intendant oder die Intendantin bedarf in folgenden Angelegenheiten der Zustimmung des Verwaltungsrats:
3. grundlegende Veränderungen der Bedingungen der Rundfunkwerbung (...)
§ 36 Werbung
(2) Der NDR kann Hörfunkwerbung in einem Hörfunkprogramm veranstalten. Ihre Gesamtdauer und Struktur werden durch Vereinbarung der Länder festgesetzt.

Dieses „eine“ Programm ist NDR 2. Es ist nicht NDR Kultur. Wann werden die Ignoranten der beiden Staatsverträge endlich dazu gebracht, diese Bestimmungen einzuhalten?

Theodor Closterman, geschrieben am 8. Oktober 2006

Die Partner von NDR Kultur für die „NDR Kultur Karte“:
Hamburg
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachen
Schleswig-Holstein
(Stand: 8. Oktober 2006)

Lesen Sie auch:
„Morgen kommt er in die Kinos“
„Riding Giants“ auf NDR Kultur - Unnötig und Schleichwerbung?
Krasser Fall der üblichen Masche, Werbebotschaften als „Kultur“ zu tarnen