NDR Kultur: Werbung für ein KulturKaufhaus

NDR Kultur, 4. Dezember 2006, Klassisch unterwegs

Wodurch unterscheidet sich ein sachlicher Kulturbericht von einem Werbebericht zugunsten eines Kulturunternehmens?

Werbung auf NDR Kultur ohne Grenzen:
Jetzt auch für ein KulturKaufhaus in Berlin

Über alles, wo „Kultur“ draufsteht, berichtet NDR Kultur, und zwar so schlicht und einfach wie möglich

14.30 Uhr, Kulturbericht

Zwischen Einzelsätzen von Franz Schubert und Antonio Rosetti gab es einen bemerkenswerten Kulturbericht. Der Moderator kündigte an, es ginge dabei nicht um ein normales Kaufhaus, sondern speziell um das KulturKaufhaus Dussmann. Der Inhalt des folgenden Kulturberichts: Durch die uneingeschränkte Ladenöffnungszeit im Bundesland Berlin von Montag 0 Uhr bis Samstag 24 Uhr könne man jetzt nach Lust und Laune bei Dussmann einkaufen, ohne den bisherigen Stress zwischen Arbeitsschluss und 20 Uhr.

Nach dem Motto:

Über alles, wo „Kultur“ draufsteht, berichtet NDR Kultur, und zwar so schlicht und einfach wie möglich.

geriet dieser Bericht zu einer einseitigen und unkritischen Werbebotschaft für das begünstigte Kaufhaus. Kunden durften im O-Ton erzählen, wie schön es sei, abends nach einem Konzert oder gar tief in der Nacht zum Beispiel CD-Stapel durchzuhören und neue Schätze zu kaufen. Ein Kulturkaufhauskunde erkannte wenigstens, dass man auch übertreiben kann und dass die Gefahr zur Kaufsucht groß ist - er habe schon 1.000 Euro ausgegeben: „Jetzt reicht's.“

Da wundert es nicht, dass der Geschäftsführer interviewt wird und stolz berichten darf, dass das Kulturkaufhaus seit der neuen Öffnungszeit „ein Umsatzplus von zwanzig bis dreißig Prozent“ habe. Man könnte meinen, die neue Ladenöffnungszeit sei ein Beitrag zum schnellen Konjunkturaufschwung.

Wenn es ein sachlicher und neutraler Bericht gewesen wäre, dann hätte der Berichterstatter gefragt,
• ob die Kunden 24 Stunden lang von qualifiziertem Verkaufspersonal bedient werden,
• wie die Kirche(n), die Gewerkschaft(en) und/oder die entsprechende Opposition dazu stehen und
• welche Konsequenzen die 144 Stunden lange Ladenöffnungszeit für die Konkurrenz, für kleinere Läden mit den verschiedensten Kulturwaren (Bücher, CDs, Videos, DVDs, Software, Noten) gebracht hat.

Davon war nicht die Rede. Der Geschäftsführer sprach für sie alle...

„Jetzt reicht's.“ Das meinen auch wir. Nicht zum Kaufrausch, sondern zum Werberausch der NDR-Kultur-Macher.

Theodor Clostermann, 10. Dezember 2006