Gedenksendung zum 200. Todestag von Joseph Haydn

NDR Kultur, 19. Mai 2009, Welt der Musik, 21 - 22 Uhr

Eine qualitative Sendung von Ludwig Hartmann mit „wenig bekannter Kammermusik Haydns“ im Abendprogramm

Kaum vorzustellen: Auf NDR Kultur gibt es abends eine gute Sendung zu Joseph Haydn und vorher erfährt es (fast) keiner

Die schlechte Informationspolitik von NDR Kultur ergibt sich aus dem mageren Musik-Potpourri und der Tipp-Überfrachtung tagsüber

Von Theodor Clostermann

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Teil 1: Die Stärken der Kammermusiksendung zu Joseph Haydn und Vorschlag zu ihrer Wiederholung im normalen Tagesprogramm

Teil 2: Die Informationspolitik von NDR Kultur in seinem Programm und auf der Homepage ist unprofessionell

Nach längerer Zeit („Matinee“ am Thementag Mendelssohn Bartholdy, 3. Februar 2009) erlebte ich auf NDR Kultur - eigentlich durch zufälliges Einschalten in Erwartung von Musik - eine Sendung, der ich mich hingesetzt und aufmerksam zugehört habe, auch deshalb, weil ich auf sie nicht vorbereitet war.

Die Sendung mit „wenig bekannter Kammermusik“ von Joseph Haydn, so der Autor Ludwig Hartmann dreimal während der Sendung, die gestern am 19. Mai 2009 um 21 Uhr im Rahmen der Reihe „Welt der Musik“ lief, war mit ihren detaillierten Wortbeiträgen biografisch und musikalisch sehr informativ und brachte sonst auf NDR Kultur nie zu hörende Stücke zum Erklingen:
- das Finale des „Scherz“-Streichquartetts,
- zwei Baryton-Einzelsätze,
- zwei Feldparthia-Einzelsätze,
- zwei vollständige Werke (ein Baryton-Trio und eine Feldparthia) und
- 4 schottische bzw. wallisische Lieder.
Beeindruckend waren auch mehrere Originalzitate aus der damaligen Zeit und der klare durchgehende rote Faden.

Auch wenn im Detail die Handschrift der einschränkenden Auflagen der Wellenleitung zu spüren war (zu viele Einzelsätze, die auch nicht in dieser Menge für die Wortbeiträge nötig waren, und oft fehlende Werkinformationen) schlage ich NDR Kultur vor:

Wiederholung dieser Sendung wegen ihrer Qualität nach dem Gedenktag am 31. Mai 2009 im normalen Tagesprogramm von NDR Kultur, also am 2. Juni 2009 (Dienstag), ein wenig um die Nachrichtenzeit gekürzt. An diesem Werktag findet ja auch abends um 19.30 Uhr die Sendung eines Streichquartetts von Joseph Haydn zu seinem Gedenken statt.

Damit nutzt NDR Kultur die Chance, seinem großen Tagespublikum Wissenswertes und zu Entdeckendes über den großen Komponisten Joseph Haydn in seinem Gedenkjahr zu bieten. Das positive Vorbild für eine solche qualitative Sendung im Tagesprogramm war ja die „Matinee“ am Thementag Mendelssohn Bartholdy.

Einen Brief mit diesem Vorschlag erreicht Frau Mirow am 22. Mai 2009.

Die miserable Informationspolitik von NDR Kultur über diese Sendung

Dies gilt um so mehr, als die Informationen von NDR Kultur für die gestrige Sendung einem gezielten Hören im Wege standen, ich hatte es ja selbst erlebt.

• Die Wochenübersicht von NDR Kultur enthält zu dieser Sendung noch nicht einmal eine thematische Information.

• Nach den mir inzwischen vorliegenden Informationen des gestrigen Tagessendeplans wurde die Sendung während des ganzen Tages systematisch verschwiegen, obwohl
- um 6.10 und um 7.29 Uhr, jeweils nach Haydn-Sätzen, schon auf den Haydn-Thementag am 31. Mai 2009 (Sonntag) hingewiesen wurde,
- mehrere Kulturthemen im Laufe des Tages zweifach behandelt wurden,
- während der Nachmittagssendung „Klassisch unterwegs“ zweimal für die Sendung „Panoptikum Friedrich Schiller“ im Kulturforum um 20.05 Uhr (also knapp eine Stunde vorher) geworben wurde und
- es vor den Nachrichten um 19 Uhr noch eine halbe Minute „Luft“ gab (statt eines noch schnell eingespielten Gitarrensätzchens von Manuel María Ponce), um auf die qualitative Sendung hinzuweisen - gerade direkt davor gab es den 3. Satz aus Haydns bekanntem Trompetenkonzert.

Der einzige Hinweis auf die Sendung: eine Rubrik mit Bild, irreführendem Text und Link auf der Startseite der Homepage von NDR Kultur (auf 4,25 % der gesamten Startseite)

• Wer sich schließlich im Internet informierte, wurde in die Irre geführt: Es sollte um die „umfangreiche Kammermusik“ Haydns gehen, um „83 Streichquartette, 46 Klaviertrios und 126 Barytontrios“. Dieser Hinweis war gleich nach der Sendung von der Homepage verschwunden. Und in der Rubrik „Radiotipps“: keine Spur von „Haydns Kammermusik“.

PS am 23. Mai 2009: Auch eine Musikliste zur Sendung gibt es bis heute nicht. Die inhaltliche Seite zu „Haydns Kammermusik“ enthält nur die irreführenden Werkangaben wie die Ankündigung: „83 Streichquartette, 46 Klaviertrios und 126 Barytontrios“. Das ist Teil der schlechten Informationspolitik von NDR Kultur. Oder anders gesagt: Das ist schlechter Service.

Teil 2: Die Informationspolitik von NDR Kultur in seinem Programm und auf der Homepage ist unprofessionell

Teil 1: Die Stärken der Kammermusiksendung zu Joseph Haydn und Vorschlag zu ihrer Wiederholung im normalen Tagesprogramm, nach dem Gedenktag am 31. Mai 2009

Die Patzer zur Kammermusiksendung von Joseph Haydn beruhen auf der systematisch schlechten Informationspolitik von NDR Kultur

Diese Patzer haben System.

Es reicht schon aus, einige Fragen zu stellen, um auf die Gründe für diese Patzer am 19. Mai zu kommen:

• Warum ist die Wochenübersicht von NDR Kultur, die - auch für die Presse - über mehrere Wochen im Voraus veröffentlicht wird, für die Zeit des Tagesprogramms von 6 bis 19 bzw. 18 Uhr so dürftig und auch für die Abendsendungen, wie das Beispiel „Welt der Musik“ zeigt, unvollständig?

• Warum gibt es im Internet nicht wie bei anderen Sendern am Sendetag, z.B. beim WDR 3, bei hr 2, bei SWR 2, bei Bayern 4 Klassik und selbst beim kulturradio des rbb (Ganzer Tag, Alle Sendungen, Suchen), eine vollständige Tagesübersicht über alle Sendungen, sondern nur unübersichtlich einige wenige Tipps auf der Startseite, Musiklisten (wenn sie denn fertig sind) und vielleicht unter „Programm“ noch einen „Radiotipp“?

• Warum haben die Nachrichten einen festen Sendeplatz zur vollen Stunde, andere für den Sender und vielleicht auch für den Hörer wichtige Informationen zu Sendungen, Veranstaltungen, Neuerscheinungen bei NDR Kultur aber nicht?

• Warum gibt es im Programm von NDR Kultur nicht an einem konzentrierten Sendeplatz, z.B. kurz vor den Nachrichten, eine sinnvolle und übersichtliche Zusammenstellung der Hörempfehlungen der Redaktion, so wie es z.B. beim Deutschlandfunk und bei hr 2 ständige und von den Hörern geschätzte Praxis ist?

• Warum bringt NDR Kultur Veranstaltungstipps nicht übersichtlich, ausgebreitet über eine Stunde, mit nachvollziehbaren Wortbeiträgen und einem dazugehörigen Musiksatz oder Textausschnitt, wie es z.B. Bayern 4 Klassik in der Sendung „MusicHall“ praktiziert, sondern mutet den Hörern stattdessen zweimal am Tag das schrecklichste aller Programmelemente zu, „die“ (= sechs) „Kulturtipps im Norden“ in nur drei Minuten, mit total komprimierten Hinweisen, Musik- und Wortfragmenten und Terminen?

• Warum geht NDR Kultur ebensowenig mit Neuerscheinungen, also neuen CDs, neuen DVDs, neuen Büchern, neuen Hörbüchern und neuen Filmen vor und zerstreut diese auf wechselnde Termine zur Viertelstunde (vor 8 Uhr), zur halben Stunde (nach 9 Uhr), in die Sendung „Blick in die Feuilletons“, auf die drei Fünf-Minuten-Konzentrate „Kultur Aktuell“ und in die laufende Moderation?

• Warum ergänzt NDR Kultur schließlich das Tagesprogramm mit zusätzlichen, den Hörer erschreckenden Trailern (zu Musikwünschen, NDR-Kultur-Karte, NDR-Kultur-Mediathek, Fernsehtipps, Radiotipps usw.) und mit den unerträglichen Jingles?

Die schlechte Informationspolitik von NDR Kultur ergibt sich aus dem mageren Musik-Potpourri und der Tipp-Überfrachtung tagsüber

Die Antwort auf diese Fragen: Weil NDR Kultur - außer den ganzen Tipps - mit seinem Musikstückwerk tagsüber zu wenig zu bieten hat, Anfang 2004 auch noch auf viele Fachkräfte verzichtet hat und dieses durch hektisches Marktgeschrei - für den Hörer orientierungslos über den ganzen Tag verteilt - übertönt, es aber nicht dokumentieren will, im Voraus auch nicht dokumentieren kann.

Auch wenn die Musikstücke und die Informationen computermäßig wie ein Netzwerk vollkommen durchgeplant und recycelt [Schreibweise laut Duden] gesendet werden und kurze, mittellange oder lange Wortdateien jederzeit zur Verfügung stehen („Formatradio“), behaupte ich: Das ist unprofessionell und widerspricht der menschlichen Aufnahmebereitschaft, erst recht der Radiokultur eines Kultursenders.

Welcher Hörer von NDR Kultur verfolgt während eines ganzen Vor- oder Nachmittags das Programm, um endlich einen erhofften Radiotipp für den Abend aufzuschnappen? Normalerweise würde ein gezielter Blick in die passende Zeitung oder Zeitschrift oder ins Internet genügen.

Sehr viele Hörer berichten uns, und mir geht es genauso, dass sie NDR Kultur spätestens bei der zweiten der häufigen Störungen ausschalten. Die typische Handbewegung heute. Statt die Hörer zu erreichen, sind viele schnell wieder weg. Weil NDR Kultur das weiß (es aber nicht zugeben will), wird das Verfahren mit noch mehr Nebenbemerkungen der Moderatoren und mit noch mehr Trailern aufdringlicher gestaltet. Und beschleunigt: die Tipps kommen häufiger vor, Kulturberichte wiederholen sich vor- und nachmittags usw. Dokumentiert wird es aber nicht. Dafür sind wir dann da.

Das ist ein Teufelskreis, der erst die Musik, dann NDR Kultur kaputt macht. Wann begreifen es die Verantwortlichen endlich?

So ist schließlich auch am 19. Mai ein möglicher und vielleicht sogar eingeplanter Hinweis auf die Haydn-Kammermusiksendung (wenigstens um 18.59 Uhr) im überfrachteten Gestrüpp und Wirrwarr der perfekten Verplanung durchgerutscht, untergegangen.

Ganz abgesehen davon steht die Sendung „Welt der Musik“ für die Senderleiterin Barbara Mirow unter einem schlechten Stern. Nach der Sendung „Am Morgen vorgelesen“ (dafür verantwortlich bis zu seinem Ruhestand: Hanjo Kesting) war die Sendung „Große Stimmen, vorgestellt von Jürgen Kesting“ die zweitbeliebteste. Anfang 2006 hat Frau Mirow diese Sendung ohne Not und gegen viele Proteste abgesetzt (siehe Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 22. März 2006: „Und dann war Schluss“) und durch die Sendung „Welt der Musik“ ersetzen lassen. Diese Nachfolgesendung ist dann offensichtlich nicht in die Rubrik „Radiotipps“ aufgenommen worden: Die „Radiotipps“, die heute schon im Internet veröffentlicht sind, reichen bis Anfang Juli 2009, darunter ist kein einziges Mal die Sendung „Welt der Musik“, wohl aber die Sendung „Kulturforum“ am gleichen Tag um 20 Uhr (vgl. oben „Panoptikum Friedrich Schiller“), anschließend die Sendung „neue musik“, jeweils am Mittwoch. Ein dementsprechendes Cache-Ergebnis von Google für den 19. Mai 2009 liegt uns auch vor.

Fazit

Mein obiger Vorschlag, die Haydn-Kammermusiksendung am 2. Juni 2009 tagsüber zu wiederholen, kann als einmalige Alternative zu der NDR-Kultur-Ankündigungshektik dienen. NDR Kultur tagsüber eine Stunde lang in Ruhe und mit Gewinn genießen.

Ansonsten liegt es am Programmausschuss und am Rundfunkrat des NDR, die Praxis von NDR Kultur gründlich zu überdenken. Dazu haben beide Gremien von uns eine Eingabe vorliegen, die sie am 23. Juni bzw. 18. September 2009 beraten werden:

„In der Hauptsendezeit, d.h. vor- und nachmittags, richtet NDR Kultur in größerem Umfang gestaltete Wortsendungen (mit längeren Beiträgen zur Kultur) und Musiksendungen (mit zusammenhängenden musikalischen Werken) ein.“

Beteiligen Sie sich an der Unterschriftenaktion zur Unterstützung dieser Eingabe.

Verfasst am 20. Mai 2009

Lesen Sie dazu auch zwei Beschlüsse des Sprecherrates der Bürgerinitiative Das GANZE Werk (Nord) vom 2. Februar 2009:

Zehn Thesen zum Tagesprogramm von NDR Kultur
Die Musik von den Fesseln der „aktuellen“ Wortbeiträge befreien

u.a.: 1. Viele hören tagsüber NDR Kultur nicht mehr
5. Die Musik wird als Füllmaterial zu den Wortbeiträgen missbraucht
6. Die Musik wird unnötigerweise ständig von „aktuellen“ Wortbeiträgen eingeschlossen
7. Das Ergebnis: für ein Musikstück bleiben im Durchschnitt nur noch fünf Minuten übrig
9. Die Hörer werden durch lautstarke NDR-Eigenwerbung gegängelt
10. Die tatsächlichen Aufgaben für den NDR Kultur als Kultursender

Was spricht dagegen?
Anregungen für Alternativen im Tagesprogramm von NDR Kultur

1. „Aktuelle“ Wortbeiträge
2. Thematische Wortsendungen
3. Sender-Eigenwerbung
4. Musiksendungen
5. Moderation, Sprache und „Verpackung“