Das GANZE Werk - Presseschau

Beispiel NDR-Kultur KlassikClub:
Hier weht ein kräftiger Marketing-Wind. Wie der Name sagt, ist NDR Kultur die Kulturwelle des NDR, seit diesem Jahr „gründlich renoviert und modernisiert. Und fit gemacht für die Kulturinteressierten von heute“, so die Imagebroschüre. Der NDR-Kultur KlassikClub existiert seit 1995 und ist - ausgegliedert aus der Welle - bei der Tochter NDR Media GmbH im Geschäftsbereich Marketing angesiedelt. Das Durchschnittsalter der knapp 11.000 Mitglieder liegt bei rund 60 Jahren. „Eine Sättigung der Mitgliederzahlen ist noch nicht erreicht. Das Programm wurde stark umstrukturiert mit dem Ziel, neue Hörerschichten anzusprechen: auch die so genannten neuen Kulturorientierten, die etwas jünger sind“, so Svenja Holst, die Leiterin des Clubs.

neue musikzeitung 07-08/03, 1. Juli 2003

DRS2-Kulturclub, Ö1 Club, NDR-Kultur KlassikClub und SWR2-RadioClub

Den Hörern mehr Heimat bieten

Das Radio, Kulturprogramme und ihre Hörerclubs - eine Erfolgsgeschichte

(nmz) - Kulturprogramme im Rundfunk sind Minderheitenprogramme. Und Minderheiten brauchen eine Lobby. Die Zeichen stehen - auch in der ARD - auf Sturm. Kulturprogramme kämpfen um Marktanteile, um Hörerquoten, und sie kämpfen gegen eine zunehmende Verflachung der Inhalte auf das Niveau von Begleitprogrammen. Die Sorge um die Existenz eines Kultursenders stand auch am Anfang des ersten Radio-Kulturclubs im deutschsprachigen Raum: 1991 schon wurde der Kulturclub von Schweizer Radio DRS2 gegründet, eine Interessengemeinschaft, die heute rund eine Million Schweizer Franken im Jahr erwirtschaftet. Was bei Pop-Sendern schon seit Jahrzehnten Erfolg hat, hält Einzug in die Kulturprogramme: Der Hörerclub wird zum zentralen Marketinginstrument. Und mit jedem Clubmitglied wird auch die Lobby für das Programm größer. Eine Erfolgsgeschichte: Der DRS2-Kulturclub hat heute 13.500, der Ö1-Club des Österreichischen Rundfunks 38.000 und der NDR Kultur KlassikClub knapp 11.000 Mitglieder. Und im Oktober dieses Jahres startet der SWR mit dem SWR2 Radio-Club.

Als Baustein eines exzellenten Unternehmens wird sie auch im Kulturbereich immer wichtiger: die Kundenorientierung, die Kundenbindung, die so genannte Verbundenheitsstrategie im betriebswirtschaftlichen Jargon, das Loyalitätsmarketing. Dazu zählen Abonnementsysteme, Besucherorganisationen, Kundenkarten, Clubs, Memberships (wie im angelsächsischen Raum üblich) oder der klassische Förderverein. Der Club ist dabei das Marketinginstrument, das sämtliche Aspekte integriert. Marketingfachmann Manfred Bruhn bringt es auf den Punkt: „Durch die Mitgliedschaft in einem Kundenclub werden die Bedürfnisse nach sozialem Kontakt, Akzeptanz, Status, Prestige und Selbstverwirklichung des Kunden angesprochen. Diese Erlebnisvermittlung und das Angebot individueller Serviceleistungen tragen zum Aufbau eines psychologischen Mehrwertes für den Kunden und somit zur Verstärkung der emotionalen Kundenbindung bei.“ Auch Rundfunkanstalten und ihre Kultursender entdecken die Chancen des Clubs. Die Kommunikation dieser Radio-Clubs mit ihren Mitgliedern funktioniert in der Regel über Clubzeitschriften mit Hintergrundinformationen. Die Angebote reichen vom Clubradio über Internetplattform, Hörertelefon, Vergünstigungen bei Eigen- und Partnerveranstaltungen bis hin zu exklusiven Reisen und Veranstaltungen mit redaktioneller Betreuung. Hörerclubs bündeln die Marketingmaßnahmen und integrieren sie in ein umfassendes Gesamtkonzept. Sie sind vom Programm beziehungsweise Sender initiiert und organisiert, sprechen verschiedene Zielgruppen individuell mit unterschiedlichen Methoden an und bauen durch die Erlebnisvermittlung und individuelle Serviceleistung eine starke Hörerbindung auf. Und schließlich erhebt der Hörerclub Mitgliederdaten, mit denen er arbeiten kann.

Hörerbindung, Hörerservice, Stärkung des öffentlichen Bewusstseins, Imagepflege und Synergie-Nutzung sind die Motive, die für die Gründung eines Hörerclubs von Rundfunk-Kulturprogrammen genannt werden. So unterschiedlich das Selbstverständnis der Programme verschiedener Sender ist, so unterschiedlich sind Aufmachung und organisatorische Strukturen der bestehenden Hörerclubs.

Das Schweizer Radio DRS2 ist „ein Kultursender, aber auch ein Informationssender. Wir haben das volle Informationsangebot. Das ist uns sehr wichtig, und es ist in letzter Zeit wichtiger geworden. Das Interesse an politischer Information ist sehr groß. Kultur findet in der jetzigen Situation statt und das soll man immer spüren“, so Rolf Grolimund, dem als Bereichsleiter Musikprogramm und Musikproduktion von DRS2 auch der DRS2-Kulturclub zugeordnet ist. Von 4,3 Millionen Deutschschweizern hören knapp 430.000 Personen DRS2. Der Kulturclub ist kontinuierlich gewachsen und zählt heute 13.500 Mitglieder. Seine Angebote reichen von Gratiskarten und Workshops bis zu Kulturreisen und einer eigenen Kulturzeitschrift. Die Clubbeiträge variieren zwischen SFR 98,- mit und SFR 38,- ohne wöchtliches Radiomagazin. Als selbsttragender Teil von DRS2 ist der Club bei der Programmleitung angesiedelt. Mit einer extrem schmalen Stellenbesetzung von insgesamt 110 Prozent Umfang erwirtschaftet er rund eine Million Schweizer Franken im Jahr. Davon werden sämtliche Kosten des Clubs und darüber hinaus besondere nicht budgetierte Programmprojekte finanziert.

Kräftiger Marketingwind

Ganz anders der NDR-Kultur KlassikClub, hier weht ein kräftiger Marketing-Wind. Wie der Name sagt, ist NDR Kultur die Kulturwelle des NDR, seit diesem Jahr „gründlich renoviert und modernisiert. Und fit gemacht für die Kulturinteressierten von heute“, so die Imagebroschüre. Der NDR-Kultur KlassikClub existiert seit 1995 und ist - ausgegliedert aus der Welle - bei der Tochter NDR Media GmbH im Geschäftsbereich Marketing angesiedelt. Das Durchschnittsalter der knapp 11.000 Mitglieder liegt bei rund 60 Jahren. „Eine Sättigung der Mitgliederzahlen ist noch nicht erreicht. Das Programm wurde stark umstrukturiert mit dem Ziel, neue Hörerschichten anzusprechen: auch die so genannten neuen Kulturorientierten, die etwas jünger sind“, so Svenja Holst, die Leiterin des Clubs.

Der NDR Kultur KlassikClub war der erste Programmclub eines Klassik- und Kulturprogramms der ARD. Partner des Clubs sind alle großen und wichtigen Kulturpartner in Norddeutschland. Durch die Kooperation in Berlin und Brandenburg gewähren bespielsweise auch die Berliner Philharmoniker Ermäßigung. Und das alles für 30 Euro Mitgliedsbeitrag. Der NDR Kultur KlassikClub arbeitet mit insgesamt vier vollen Stellen und einem freien Redakteur. „Es besteht ein Zuschussbedarf vom NDR, auch wenn der Club sich mittlerweile zu einem großen Teil selbst trägt“, so Holst.

Wenn Programmacher vom Schlag Ö1 einen Club betreiben, dann wird Marketing zur Kulturarbeit. Und das mit enormem Erfolg. Ö1, das Kulturprogramm des Österreichischen Rundfunks, ist ein Kultur-, Bildungs- und Informationsprogramm. Bei den über 35-Jährigen hat Ö1 eine tägliche Reichweite von 10,5 Prozent, in Wien sogar über 14 Prozent das sind rund 600.000 Hörer. Wie der Sender, so der Club: 38.000 Mitglieder zählt der vor sieben Jahren gegründeten Ö1 Club. Auslöser für die Gründung des Clubs war eine Ö1-Werbekampagne des Krimiautors Wolf Haas „gehört, gehört“. „Um diese Energie nicht völlig verpuffen zu lassen, ist dann diese Programmzeitschrift in Verbindung mit dem Club entstanden“, so Kurt Reissnegger, Leiter des Ö1 Clubs. „Die Motivation für die Gründung war ein besserer Service für die Hörer, ohne extra Programmgeld ausgeben zu müssen. Wir haben einen Club gegründet, ohne wirklich einen Club zu gründen. Das Abonnement unserer Zeitschrift (zum Preis von 21,80 Euro) ist identisch mit der Clubmitgliedschaft.“ Und doch: Der Club ruht auf zwei Säulen: der Zeitung in klassischer Strenge ohne Inserate sowie der Club-Karte, die bei rund 500 Partnern in ganz Österreich Ermäßigungen ermöglicht. Darüber hinaus wurde das Funkhaus in ein Radio-Kulturhaus umgewandelt mit täglichen Veranstaltungen, Klangtheater, Soundshowroom und einem Radio-Café. Personell ist der Club ähnlich schlank wie beim DRS2-Kulturclub besetzt und als Stabstelle des Programmchefs geführt. „Wir versuchen langsam zu wachsen. Würden wir beispielsweise mit dem Konzerthaus eine Marketing-Mitglied-Kopplungsaktion machen, brächen wir organisatorisch zusammen.“ Die Mitglieder gliedern sich in drei Segmente: das sogenannte Aktivsegement von Jüngeren und Gebildeteren, die eine selektive Auswahl treffen; die Kernhörer, die als Zeichen der Solidarität eine gute Sache unterstützen; und die Gruppe, für die sich der Beitrag über die Ermäßigungen bei Partnerinstitutionen rechnet. Zu den Kosten: „Die Kostenwahrheit ist eine schwierige Sache und bei den öffentlich-rechtlichen Häusern schwer zu eruieren. Seit dem dritten Jahr ungefähr arbeiten wir kostendeckend. Der Überschuss geht ins Programm“, so Reissnegger von Ö1.

Aber zurück zu den ARD-Anstalten und zu SWR2, das am 1. Oktober 2003 seinen Club, den SWR2-RadioClub startet. „Vom Programmverständnis ist SWR2 konservativ im guten Sinn. Wir pflegen Radiotradition sehr bewusst. Wir verstehen uns als ein Vollprogramm, das unseren Hörern von der politischen Hintergrundinformation bis zur internationalen Kultur und der Musik alles bietet“, so Hildegard Bußmann, Programmchefin SWR2. Bundesweit 240.000 Hörer hat SWR2 täglich. Wichtiges Motiv bei der Gründung eines Clubs ist auch bei SWR2 die Pflege der bestehenden sowie der Aufbau neuer Hörerbindungen. „Wir wissen, dass es eine sehr enge Bindung an das Programm gibt und wir wollen den Hörern ein Stückchen mehr Heimat bieten und Angebote bündeln, die wir ohnehin schon haben.“ Im Gegensatz zum NDR wird der SWR2 Radio-Club Teil des Programms sein. Auch die Marketingabteilung ist in die Hauptabteilung integriert. Und der Club wird das dominierende Marketinginstrument. Aufgrund von Hörerbefragungen rechnet SWR2 bis 2005 - bei vorsichtiger Planung - mit bis zu 5.000 Mitgliedern. „Ein Kulturprogramm, das Ansprüche stellt an die Hörer und auch Anwort bekommt, dass die Hörer mit diesen Ansprüchen ganz zufrieden sind, ist auf eine Lobby angewiesen.“ Das Konzept für den SWR2-Radio-Club ist überzeugend, die Leistungen attraktiv. Der Erfolg wird kommen.

Kundenclubs sind eine Wachstumsbranche und der Erfolg ist bestechend, ob im profit- oder non-profit-Bereich. Der SWR3 Club ist mit 85.000 zahlenden Mitgliedern legendär, IKEA-Family hat allein in Deutschland mehr als 200.000 Mitglieder, die Porsche Clubs zählen rund um den Globus 120.000 Mitglieder. Aber auch die wissenschaftliche Buchgesellschaft, einer der ältesten Kundenclubs im Kulturbereich, hat weltweit rund 140.000 Mitglieder.

Die Kulturprogramme der Rundfunkanstalten müssen sich beeilen mit ihren Clubgründungen, damit ihre Clubkarten einen Platz in den Brieftaschen der potentiellen Mitglieder ergattern. Wer weiß, wie viele Club- und Kundenkarten der Mensch bereit ist, bei sich zu tragen.