Das GANZE Werk - Presseschau

Neue Presse - Hannover vom 8. September 2004

Unmut über das Musikprogramm von NDR Kultur

Rossini in heavy Rotation: Kritik am NDR-Kulturradio

Die Hamburger Bürgerinitiative „Das ganze Werk“ fordert mehr Vielfalt und komplette Sinfonien. Ab heute auch in Hannover.

Von Henning Queren

Hannover. Siebzehn Superhits am Stück und das Beste von heute, die ewig gleichen Songs als Dauerlutscher: Was Grundprinzip der privaten Popstationen ist, greift auch mehr und mehr auf die Klassiksender über. Klassikradio hat mit den Tschaikowsky-Häppchen und Beethoven-Openern angefangen. NDR Kultur hat nachgezogen ­ und das geht vielen seiner Hörer mächtig auf den Sender. Einige davon haben eine Bürgerinitiative gegründet, die programmatisch „Das ganze Werk“ heißt. Die übt harte Kritik am NDR, eine Verflachung des (Musik)programms hat sie ausgemacht, Verstümmelung von Musikstücken und Inkompetenz der Moderatoren.

Da ist was dran, wenn man mal häufiger NDR Kultur am Tage hört. Offensichtlich verwechseln die Radiomacher Klassikhörer mit Popkonsumenten, die mögens vielleicht, wenn ihr Stück bis an die Grenze des Überdrusses immer wieder aufgelegt wird. Heavy Rotation heißt das im Radiojargon, das heftige Rotieren. Aber Mozart und Rossini in heavy Rotation? Zu den Superduperhits bei NDR Kultur gehört der Schlusssatz von Beethovens Siebenter Sinfonie ­ immer wieder und immer wieder von Günter Wand. Probleme gibts auch mit den Moderatoren, die nicht vollständig firm sind, was das Bildungsgut klassische Musik betrifft, aber eine wunderbar samtig-sanfte Stimme haben. Mit der dann auch schon mal ein Stück von Chopin Bach zugeordnet wird, weil es so auf dem Zettel steht.

Theodor Clostermann von der Hamburger Telemann-Gesellschaft setzt sich für das „ganze Werk“ ein: „Wir wollen einfach mehr Kompetenz in einem Kulturradio ­ und natürlich nicht immer die gleichen Stücke hören.“ Die Verflachung des Programms macht er an Senderchefin Barbara Mirow fest, der bisherigen Nachrichtenchefin von NDR Info, die seinerzeit nicht mehr Nachrichten machen sollte, als Ehemann Thomas SPD-Bürgermeisterkandidat wurde.

Allerdings: Eine „ganze“ Sinfonie im alltäglichen Programm, das sollten auch die Kritiker einsehen, geht beim Radio eher nicht ­ komplette Monumentalwerke von Bruckner oder Mahler mit Dauern von bis zu eineinhalb Stunden.

Aber man sollte darüber reden. Denn man kann ja auch offensiv vertreten, dass sich Hörgewohnheiten verändert haben, von den Kompositionen meistens nur ein Satz gespielt werden soll und dass einige Sätze als eingeplante Highlights deutlich öfter gesendet werden. Nur sagt das der NDR so nicht, wird erstaunlich einsilbig, wenn es um die Struktur des Angebots an seine Kunden geht. Das soll heute in Hannover diskutiert werden. Mit dabei ist NDR-Autor Eike Christian Hirsch.

Heute ab 19.30 Uhr im Leibnizsaal der Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis (Rote Reihe 8).

www.dasganzewerk.de