Das GANZE Werk - Presseschau

CD: "Neues aus der norddeutschen Tiefstebene"

Rudi Mozarts kleine Festplattenmusik

SPOTTGESÄNGE
Kirchenmusiker Rudolf Kelber kritisiert NDR Kultur
mit einer parodistischen CD.

Von Bettina Brinker

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„Neues aus der norddeutschen Tiefstebene" verspricht die CD.
Hamburg - Jetzt wissen wir es. Es gibt ihn doch, den Computer mit absolutem Gehör und absolutem Klassik-Geschmack. Er heißt Rudi und stellt ein absolut verläßliches Kulturprogramm zusammen - ohne daß man sich beim Frühstück verschluckt oder man in der Rushhour hektisch wird, weil Mahler, Strawinsky und Co. dazwischenfunken.

Nein, Rudi, der Progammcomputer, und sein Erfinder Rudolf Kelber, Kirchenmusikdirektor an St. Jacobi, wissen, was den Ohren schmeichelt. Das haben sie von NDR Kultur gelernt. "Die kleine Nachtmusik, dann etwas aus ,Peer Gynt' von Grieg. Pachelbels Kanon, Pomp and Circumstance, jetzt ein ungarischer Tanz, dann ein Konzert von Quantz. Ne Schnulze aus 'nem Musical und dann noch für Elise eine Prise am Klavier." Auf der CD "Neues aus der deutschen Tiefstebene" präsentiert Rudi jetzt sein launiges, auf NDR Kultur gemünztes Programm, für das Kelber zahlreiche Musiker sowie Special Guests wie Hermann Rauhe gewinnen konnte.

Ein paar Makel hat Rudi aber schon. Denn auch "ein liebes Computerlein" kann sich mit einem Virus anstecken (dann spielt er nur noch Konzerte von "Johann Helmich Romann"). Außerdem ist es um seine Speicherkapazität nicht gut bestellt ("D' Plattn ist zu klein. Und so spielt am Montag, Mittwoch, Freitag dasselbe Stück."), so daß er sich sein Programm aus Klassik-Hits zusammenklaut. Ohrwürmer merkt man sich eben leichter. Und so tanzen in der Nummer "An der schönen bunten Elbe Sumpf" der Klassik-Fan ("Wir wollen, daß Gebühren zu was führen"), der Redakteur ("Die Intendanten sagen: Nur alte Tanten klagen") und der Hörer ("Schalt ab deinen Radioapparat, der Schwachsinn liegt ja blank") im Donauwalzer-Takt von Refrain zu Refrain ("NDR drei vorbei, vorbei... NDR Kultur Kultur Kultur...").

Die CD erzählt vom Yuppie, der Klassik wie Kaffee konsumiert, vom weinenden Mercedes-Fahrer, der auf verschiedenen Frequenzen immer wieder das gleiche hört. Außerdem gibt es Tips für Moderatoren ("Hörer-Anmache-Liedlein") sowie mehrere Magazine, u. a. über das Phänomen "Jingle", das die Festplatte sprengt. Deshalb bittet Rudi: "Sammelts doch a bisserl Geld! Sonst spiel' ich d' nächste Zeit nur Jingle bells."

Neues aus der Norddeutschen Tiefstebene: CD in Kürze erhältlich bei "Hanse CD" (Große Bleichen 36), Tel. 34 05 61.

Hamburger Abendblatt, 8. Januar 2005

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