Das GANZE Werk - Presseschau

Ringen um Einfluß auf den NDR

Rundfunk: Jobst Plog, Christian Wulff und die Zukunft der Anstalt

Von Ludger Fertmann

Hannover - Der Verwaltungsrat des Norddeutschen Rundfunks "überwacht die Geschäftsführung des Intendanten". Verständlich, daß Amtsinhaber Jobst Plog mit veröffentlichtem Unbehagen auf ebenjenen Referentenentwurf aus der niedersächsischen Staatskanzlei reagiert, der als Gesetz den Einfluß der Politik und damit natürlich vor allem den Einfluß des größten Staatsvertragslandes der Vier-Länder-Anstalt ausweiten würde.

Die eigentliche Überraschung aber ist die Massivität, mit der derzeit sowohl der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) als auch Plog die Konfrontation suchen. Nachdem vertrauliche Gespräche keine Fortschritte gebracht hatten, war es Plog, der den Sender öffentlich in Stellung brachte mit einem Interview: "Raubzug gegen den Rundfunk". Unschwer herauszulesen, daß Plog zwar anderen Ministerpräsidenten "unzulässige staatliche Einflußnahme" vorwarf - aber eben auch Wulff meinte.

Der keilte in dieser Woche im Landtag zurück: "Völlig unangemessen". Wichtig in diesem Zusammenhang: Kaum verklausuliert droht Wulff nun, man könne noch einmal neu nachdenken über die anstehende Zustimmung der Landtage zur Gebührenerhöhung für die öffentlich-rechtlichen Anstalten der ARD und das ZDF. Plog hält sich hier bis heute die Möglichkeit offen, die aus seiner Sicht "problematische" Einflußnahme der Ministerpräsidenten auf die Höhe der Gebührenerhöhung vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.

Umgekehrt ist auch die Drohung mit einer Kündigung des NDR-Staatsvertrages durch Niedersachsen nicht vom Tisch. In der 80er Jahren ist ein ähnlicher Vorstoß nur gescheitert, weil das Land eine Kündigungsfrist versäumte.

Wenn es in Schleswig-Holstein bei der Landtagswahl keinen Machtwechsel gibt, ist für Niedersachsen ein nachhaltigerer konservativer Einfluß auf den Verwaltungsrat am besten möglich, wenn künftig sechs der zwölf Mitglieder von den Landesregierungen direkt bestimmt werden. Dabei geht es nicht nur um die mittelfristig spannende Frage der Nachfolge des SPD-Mitglieds Plog in vier Jahren, für die der Verwaltungsrat das Vorschlagsrecht hat. Dieses Gremium muß auch allen außertariflichen Anstellungsverträgen für das Führungspersonal des Senders zustimmen. Und hier steht ein Generationswechsel an. Daß es aus Sicht der CDU-FDP-Koalition in Hannover angesichts der veränderten politischen Landkarte im Norden Handlungsbedarf gibt, machte in dieser Woche im Landtag die medienpolitische Sprecherin Ulrike Kuhlo (FDP) deutlich, als sie Plog als "Obergenosse des Systems NDR" titulierte. CDU und FDP in Niedersachsen sind gerade eifrig dabei, das "System VW" zu demontieren, die aus ihrer Sicht zu enge Verzahnung von SPD, Gewerkschaft und Teilen der Unternehmensleitung.

Im NDR-Verwaltungsrat wird zudem der Wirtschaftsplan beschlossen. Angesichts weiterer Einsparnotwendigkeiten geht es dabei absehbar nicht nur um die von Wulff geforderte stärkere niedersächsische Präsenz im Programm, sondern auch um Prestigeobjekte wie die Existenz der Radiophilharmonie in Niedersachsen und die Nordischen Filmtage in Schleswig-Holstein.

Hamburger Abendblatt, 28. Januar 2005

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