Das GANZE Werk - Presseschau

Bremen, 5. März 2005

Auch veröffentlicht im Kulturinformationszentrum (KIZ), 5. März 2005 , des Deutschen Kulturrates und der neuen musikzeitung (nmz)

Erste gemeinsame Erklärung von vier Rundfunk- und TV-Initiativen in Deutschland:

Schützt den Kultur- und Bildungsauftrag!

Die Öffentlich-Rechtlichen sind auf dem Weg, sich selbst überflüssig zu machen

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Die seit Jahren voranschreitende Verflachung vieler Kultur- und Informationsprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks veranlasst immer mehr HörerInnen und ZuschauerInnen, sich in Initiativen zusammen zu schließen. Anlässlich der "Hörsturz"-Nacht am 11. März 2005 in Bremen werden sich vier dieser Initiativen einer überregionalen Öffentlichkeit vorstellen. Es sind: "Hörsturz" - Interessengemeinschaft für Bremer Radiokultur, die hessische Initiative "Rette dein Radio" und "Das ganze Werk" aus dem Sendegebiet von NDR Kultur, die jede einige Tausend HörerInnen zur Kritik am Radioprogramm im jeweiligen Sendegebiet hinter sich versammeln. In der Frankfurter Initiative "Qualität statt Quote im Fernsehen" kritisieren Medienschaffende, Gewerkschafter und Rundfunkräte den immer stärkeren Verlust von Programmplätzen für kritische und anspruchsvolle Sendungen.

Gegenstand der Kritik am Radioprogramm sind die aktuellen "Programmreformen". Die Verantwortlichen gehen offensichtlich davon aus, dass die HörerInnen nicht mehr bewusst zuhören wollen, es soll alles glatt klingen, damit niemand vorzeitig das "Begleitradio" um- oder ausschaltet. Das "Durchhörradio" wird als ideales Schema auch für Kultur- und Informationsprogramme ausgegeben. Wortbeiträge, die gekürzt und nach engen Formatvorgaben inhaltlich beliebig zusammen geschnitten werden, geben wenig Möglichkeit zu kritischer Überlegung und wecken mitunter Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt. Das künstlerische Schaffen von Komponisten und Interpreten wird derart verstümmelt vorgestellt, dass die kulturelle Neugierde enttäuscht wird. Die unausgesetzte Musik-Berieselung schläfert ein. Dies alles wird verschärft durch die fortschreitende Einschränkung musikalischer Vielfalt in den jeweiligen Musikpools. Derartige Programme erfüllen nicht mehr den Bildungs- und Kulturauftrag, zu dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach dem Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet ist.

Beide Medien, Hörfunk und Fernsehen, huldigen unverhohlen dem Quoten-Gott. Gedankenlos entledigt man sich grammatikalischer Grundregeln und drückt den Sprachgebrauch auf Pisa-Niveau, statt selbst Lehren aus der Pisa-Studie zu ziehen und Niveau fördernd zu wirken. Die starke Orientierung an der Boulevardpresse, selbst in den Nachrichten, hat inzwischen ein Ausmaß erreicht, das für ein durch Gebühren finanziertes Programm nicht akzeptabel ist. Die selbst gewählte Abhängigkeit von der Quote beschleunigt den Zustand der Sinnentleerung, den das öffentlich-rechtliche Programm eigentlich verhindern soll. Für unsere Rundfunkgebühren erwarten wir niveauvolle, kritische und anregende Sendungen. Ein solches Programm ist beliebt, das zeigt die Praxis, nicht jedoch eine schlechte Kopie werbefinanzierter Privatprogramme.

Wir und die in unseren Initiativen zusammengeschlossenen GebührenzahlerInnen sind weder naiv noch stehen wir Veränderungen ablehnend gegenüber. Wir sind auch keinesfalls gegen das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem. Im Gegenteil beobachten wir den Versuch starker politischer Kräfte, durch die Politisierung der Rundfunk-Finanzierung größeren Einfluss auf das Programm zu gewinnen und durch den erzeugten Spardruck die aufklärenden Qualitäten der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu beseitigen. Genannt seien hier die Stoiber/Milbradt/Steinbrück-Initiative oder Wulffs Drohung, den NDR-Staatsvertrag zu kündigen und den Einfluss der Landesregierungen in den Gremien zu erhöhen. Während das Spar-Argument in den Anstalten selbst beliebig genutzt wird, um kritische und anspruchsvolle Sendungen in den späten Abend zu verlegen, radikal zu kürzen oder ganz abzuschaffen, werden gleichzeitig z.B. für Sport- und Unterhaltungsprogramme weiterhin Unsummen ausgegeben.

Unter diesen Bedingungen steuern die öffentlich-rechtlichen Sender immer tiefer in eine Legitimationskrise! Sie sind auf dem besten Wege, sich selbst überflüssig zu machen, weil sie ihre eigenen Wurzeln und den Geist ihres Auftrages in Vergessenheit geraten lassen.

· Wir wenden uns an alle, die an Qualität, Offenheit und Unabhängigkeit des durch Gebühren finanzierten Rundfunks interessiert sind, ihren Einfluss geltend zu machen, um das Steuer herum zu reißen.
· Wir ermuntern die MitarbeiterInnen der öffentlich-rechtlichen Anstalten, sich dem undemokratischen Druck innerhalb ihrer Häuser zu widersetzen und nötigenfalls auch öffentlich Kritik zu äußern - mit der Rückendeckung tausender GebührenzahlerInnen.
· Wir appellieren an Rundfunkräte und MedienpolitikerInnen, in die Offensive zu gehen und die Verantwortlichen an den Programmauftrag zu erinnern.
· Wir fordern die Printmedien auf, dass sie die Fehlentwicklung unnachgiebig dokumentieren.
· Und nicht zuletzt wenden sich alle vier Initiativen an alle gleich gesinnten HörerInnen und ZuschauerInnen, bei den Programmverantwortlichen und Aufsichtsgremien Einspruch zu erheben, wenn anspruchsvolle Sendungen verflacht, gekürzt oder gar eingestellt werden sollen. Sie sind aufgerufen, die Arbeit der Initiativen zu unterstützen oder eigene ins Leben zu rufen, damit die Vielfalt der Kultur, der Information und der Meinungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch weiterhin eine Chance hat.

HÖRSTURZ -
Interessengemeinschaft 
für Bremer Radiokultur
Das GANZE Werk
Für mehr Kultur
auf NDR Kultur
Rette dein Radio
 
 
Qualität
statt Quote
im Fernsehen
Regina Dietzold
Tel. 0421/707484
www.hoersturz.org
Theodor Clostermann
Tel. 040/71095520
www.dasganzewerk.de 
Uli Franke
kontakt@rettedeinradio.de 
www.rettedeinradio.de
Mario Krsek
Tel.06421/889604