Das GANZE Werk - Presseschau

Leserbriefe
Zum Leserbrief von NDR-Intendant Prof. Jobst Plog
Für von Ungeist geprägte Sätze dieser Art darf in der ZEIT kein Platz sein
Leserbrief Nr. 1, DIE ZEIT, 10. März 2005 (Nr. 11)

Von Dr. Carl-Heinz Mann, Pinneberg

Dogmatisch müssen für Sie die vielen Komponisten sein,
die sich den für den NDR inakzeptablen Missgriff geleistet haben, mehrsätzige Musiken zu verfassen

Herrn Intendanten
Prof. Jobst Plog
Norddeutscher Rundfunk
Hamburg

Nachr. an DIE ZEIT - Dossier/Leserbrief

13. 3. 2005

Ihr Leserbrief, DIE ZEIT vom 10. März, zu "Rettet das Radio!"

Sehr geehrter Herr Plog,

Ihr mutiger Einsatz für Ihren Mitarbeiter Herrn Romann in allen Ehren. Aber, aber..., wer zu lesen versteht, begreift den selbstmörderischen Bruckner-Hörer doch sofort als eine Replik auf die als "Kultur-Ajatollahs" beschimpften Mitglieder des "Ganzen Werks"-Vereins. Merke: Im Reich der Ajatollahs gedeihen die Selbstmörder besonders üppig. Und es wundert mich schon, dass Sie Herrn Romann ob dieses unqualifizierten Ausrutschers nicht zur Ordnung gerufen haben. Schön ist der Romann-Vergleich Ulrich Stocks mit Egon Krenz keineswegs. Aber auch der ist durchaus nach zu vollziehen, wenn man die Mischung aus Überraschung, Unverständnis und Arroganz kennt, die dem Leser aus Bemerkungen und Antwortbriefen des Herrn Romann und der Frau Mirow entgegen schlägt. Sie sollten sie gelegentlich zur Kenntnis nehmen.

Allerdings, und das ist der eigentliche Grund für meine Zuschrift, teilen Sie offenbar deren Ansichten, wenn Sie die Kritiker Ihres NDR-"Kultur"-Programms "dogmatisch" nennen. Dogmatisch, hoch verehrter Herr Professor, müssen für Sie doch in erster Linie die vielen, vielen Komponisten mindestens der letzten fünf Jahrhunderte sein, die sich den für den NDR inakzeptablen Missgriff geleistet haben, durchweg mehrsätzige Musiken zu verfassen. Denen beschneiden Sie ihre Werke, und zwar so konsequent von 6 bis 19 Uhr, dass mir dazu - da man bei Ihnen Orientalismen zu schätzen scheint - nur das böse Wort von Kultur-Eunuchen in die Feder rutscht.

Aber mit der auch für meine Ohren problematischen NDR-Kultur ist es weit schlimmer bestellt, sieht man genauer auf die Programme, die hinsichtlich der Auswahl mittlerweile noch hinter den originelleren Hörerwünschen zurück fallen. Gäbe es dafür eine Kontrolle, dann würden - beispielsweise - der fast 90-prozentige Anteil an Finalsätzen, die ewige Wiederkehr von zwei, drei Dutzend Musikstücken und der Handvoll Opernarien ("Wie eiskalt ist dies Händchen", "Väterchen teures", "Ach, ich habe sie verloren") längst bemerkt worden sein. Ebenso wie etwa die Tatsache, dass Frau Uchida die annähernde Alleinvertretungsrecht zum Vortrag von Mozartkonzert-Sätzen besitzt und Frau Georghiu das Sopranfach repräsentiert.

Im übrigen: Dem Hamburger Abendblatt entnahm ich kürzlich eine offizielle Analyse, gemäß der der Anteil der NDR-Kultur-Hörer im letzten Halbjahr bei 1,5 Prozent verharrt, sich also keineswegs auf 1,8 Prozent erhöht hat. Es ist also Zeit zu Einsicht und Umkehr. Sie haben einen Kulturauftrag, und der ist spätestens mit dieser "Reformierung" dem Unwillen bzw. Unvermögen mancher Ihrer Mitarbeiter zum Opfer gefallen. Sie sollten sich die jetzigen Moderationen darauf hin einmal genauer anhören.

Mit freundlicher Empfehlung
Ihr Hör-Kunde
gez. Dr. Carl-Heinz Mann

Dr. Mann war Feuilleton-Redakteur im Hamburger Abendblatt

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Lesen Sie den Abschnitt des ZEIT-Dossiers "Rettet das Radio!" zu:

NDR Kultur, Hörfunkdirektor Gernot Romann und Initiative Das GANZE Werk
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