Das GANZE Werk - Presseschau

Frankfurter Rundschau, 17. März 2005

Die Gebühren steigen definitv, doch die ARD-Intendanten geben sich damit nicht zufrieden

Die Rundfunkgebühr ist keine staatliche Beihilfe

Niemand gibt mehr für Bildungs- und Kulturprogramme aus als wir

SWR-Chef Peter Voß

Frankfurter Rundschau: Herr Voß, die Landtage haben der Erhöhung der Fernsehgebühren zugestimmt. ARD und ZDF sind trotzdem nicht zufrieden. Was meinen Sie, sollte die ARD in Karlsruhe klagen?

Peter Voß: Die ARD wird diese Entscheidung nicht übers Knie brechen, sondern sich Zeit dafür nehmen. Ich persönlich halte den Gang nach Karlsruhe für unausweichlich. Es geht ja nicht um die Summe, mit der wir uns abzufinden haben, denn andere müssen auch sparen. Es geht um die Unabhängigkeit der KEF...

... der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD und ZDF ...

... die, gelinde gesagt, beschädigt ist. Wir brauchen Klarheit über den Status der KEF, und daran sollten auch die Länder interessiert sein. Wozu sollen wir denn noch mit großen Paketen voll bedruckten Papiers zur KEF gehen, wenn die Gebühr doch nur politisch ausgehandelt wird?

In Karlsruhe legen Sie sich mit den Ländern an. In Brüssel brauchen Sie die Länder.

Es waren nicht alle Ministerpräsidenten, sondern zunächst einmal drei, die sich über die KEF-Empfehlung hinweggesetzt und damit am Ende das Ergebnis faktisch diktiert haben, weil es sonst gar keine Anpassung gegeben hätte.

Aber auch die drei brauchen Sie in Brüssel.

Die Landesregierungen wissen sehr wohl, dass es in Brüssel zunächst mal um ihre eigenen Kompetenzen geht. Die EU-Kommission versucht generell, ihren Einfluss auszuweiten. Rundfunk ist aber vor allem Sache der Mitgliedstaaten und soll es bleiben.

Ist es nicht dennoch die alte Salamitaktik von ARD und ZDF, immer erst zu handeln, wenn der Druck steigt?

Interview
Der baden-württembergische Landtag verabschiedete am Mittwoch als letztes Landesparlament den Staatsvertrag der Länder, in dem die neue Rundfunkgebühr bis Ende 2008 festgeschrieben wird. Damit steigt die monatliche Gebühr am 1. April um 88 Cent auf 17,03 Euro. Die Ministerpräsidenten hatten sich im Herbst vergangenen Jahres auf die Erhöhung um 88 Cent geeinigt und damit die von der zuständigen Gebührenkommission KEF empfohlene Erhöhung um 1,09 Euro erstmals deutlich reduziert. Da die Intendanten darin einen unzulässigen Eingriff in die Rundfunkfreiheit sehen, hält etwa SWR-Boss Peter Voß eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für "unausweichlich". Voß (61), einst Anchorman bei "Heute" und Vize-Chef- redakteur im ZDF, leitet seit 1992 den Südwestfunk , der mit dem Südfunk 1998 zum Südwestrundfunk fusionierte.    fr

Wir sind schon lange bereit, unseren Auftrag in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz näher zu definieren, etwa durch Selbstverpflichtungen. Wir sind zwar transparenter und demokratisch besser kontrolliert als die EU-Kommission selbst, aber wir sind bereit, die Transparenz noch zu erhöhen, wenn dies nicht zu massiven Eingriffen in die Rundfunkfreiheit und damit zu staatlicher Bevormundung führt. Die Rundfunkgebühr ist bei uns eben keine staatliche Beihilfe, sie wird von den Bürgern direkt bezahlt, und dafür bekommt die Gesellschaft eine Gegenleistung.

Nach außen reden ARD und ZDF immer von Programmautonomie und anderen hehren Idealen. Aber politisch setzen Sie Ihre Interessen nur durch, weil die Länder ihre Standortinteressen haben.

Es trifft zu, dass sich die Länder auch an Standortinteressen orientieren. Für den Rundfunk darf das nicht der dominierende Gesichtspunkt sein. Uns muss es um die Rundfunkfreiheit gehen, und damit haben wir uns bisher immer behauptet. Es ist der Politik nie gelungen, massiv in die Programme einzugreifen. Wir haben uns oft nur über den Weg nach Karlsruhe behauptet, aber wir haben uns behauptet.

Sie hätten nie so viel Fußball im Programm, wenn die Politik da nicht Druck gemacht hätte.

Wenn die Politik für die Programmvielfalt eintritt, kann ich das nicht tadeln. Wir waren schon ganz froh, als sich die Politik zum Beispiel darum kümmerte, dass der Spitzenfußball nicht im Pay-TV verschwindet. Das war unter anderem wichtig für die Weltmeisterschaft 2006, und dafür brauchten wir als Einstieg die WM 2002. Da haben wir schließlich mit Kirch einen Deal hinbekommen, der für uns günstig war. Kirch hat sich ja übernommen, nicht wir.

Hat die Kommission nicht Recht, wenn sie sagt, ARD und ZDF haben zu viel Sport im Programm?

Man kann dieser Meinung sein, nur ist die Kommission dafür nicht zuständig. Im übrigen fahren wir den Sport bereits zurück. Bei der EU scheint man verordnen zu wollen, dass wir keine Exklusivrechte kaufen dürfen, also ganz Pakete inklusive Pay-TV. Aber was ist, wenn nur ganze Pakete angeboten werden? Wir waren und sind ja bereit, Rechte kostendeckend weiterzuveräußern. In der Kommission scheinen die Zuständigen mit ihrer radikal kapitalistischen Sichtweise zu übersehen, dass man es bei diesen Sportrechten auf der Anbieterseite immer mit einem Monopolisten zu tun hat, der selbst entscheidet, wie sein Angebot aussieht. Faktisch sollen jetzt offenbar unsere Konkurrenten begünstigt werden.

Sie haben denen ja sogar Harald Schmidt weggenommen. Sind die Millionen, die er bekommt, nicht öffentlich-rechtliche Verschwendung?

Als bekennender Schmidt-Fan bin ich da befangen. Im übrigen liegt die Zahl unter dem, was öffentlich gehandelt wurde. Außerdem gehen die Sponsoreneinnahmen an uns, und Sponsoren haben wir natürlich nur, weil wir ihn haben. Die Nettokosten liegen also noch deutlich niedriger. Das rechnet sich sehr gut, und durch den Verzicht auf den Uefa-Cup haben wir es sogar überkompensiert.

Gleich sagen Sie, er ist das Preiswerteste, was die ARD hat.

Er ist jedenfalls nicht teurer als andere, mit denen er sich mindestens messen kann.

Sie kassieren Gebühren von allen. Aber für die Masse haben Sie auch nichts anderes zu bieten als die Privaten - Sport und Unterhaltung. Da argumentiert es sich doch auf Dauer schlecht für die Gebühr, oder?

"Das Ding" soll Zuschauer
locken (SWR)

Niemand gibt mehr für Bildungs- und Kulturprogramme aus als wir, und das bleibt auch so. Doch auch Sport und Unterhaltung kann man ganz unterschiedlich präsentieren. Als der DSV vor einiger Zeit Skirechte an RTL verkaufen wollte und dabei versehentlich kundtat, die ARD würde zu kritisch berichten, war das bezeichnend. Der Sport prägt Einstellungen. Auch die Unterhaltung prägt Einstellungen. Es ist doch ein Unterschied, ob man Menschen in einen Container sperrt oder Ungeziefer fressen lässt, oder ob man eine Show macht wie Frank Elstners Menschen der Woche. Wir müssen auch Mehrheiten erreichen dürfen, sonst verfehlen wir unseren Auftrag. Wir müssen ein Angebot für alle machen. Es geht dabei um einen Beitrag zur Demokratiefähigkeit unserer Gesellschaft, das kann man nicht nur mit Elitefernsehen machen.

Und wieso brauche ich dazu ein konkurrierendes Systeme von ARD und ZDF?

Das ist historisch ebenso gewachsen wie die enorme Marktmacht unserer kommerziellen Konkurrenten. Niemand sollte darauf setzen, den einen oder den anderen Partner abzuschaffen oder zu beschädigen, und keiner sollte auf Kosten des anderen expandieren wollen. Statt dessen sollte man ARD und ZDF stärker als Verbund sehen und gemeinsame Aufgaben auch gemeinsam anpacken, um das Feld zu behaupten.

Was bei 3Sat nicht so gut funktionieren wird. Das ZDF will die ARD dort raushaben.

Wir werden weder rausgehen noch rausfliegen. Das Ganze wurde leider nicht fair gespielt. Wir wurden gar nicht erst nach unserer Meinung gefragt und mussten erst einmal die Notbremse ziehen. Wir haben nachträglich auch keinen besonderen Gesprächsbedarf über die Frage, wie man uns am besten doch noch aus einer bisher sehr guten und fairen Partnerschaft hinausdrängt.

Wieso erwarten Sie Fairness vom Konkurrenten?

Weil wir dem ZDF gegenüber fair waren. Der Kinderkanal war eine reine ARD-Innovation, vorgeschlagen vom Südwestfunk. Daran wurde das ZDF zur Hälfte beteiligt. Phoenix ist eine WDR-Erfindung. Auch da ist das ZDF zur Hälfte beteiligt. Auch beim Deutschlandradio ist das ZDF gleichberechtigt dabei, obwohl es keinerlei Hörfunkkompetenz hat. Wir dagegen haben uns bei 3Sat freiwillig mit der stellvertretenden Federführung begnügt, nachdem wir unseren eigenen Kulturkanal Eins plus aufgegeben hatten. Fairer kann man nicht sein, als die ARD es war. Also: Wir kündigen den 3Sat-Vertrag nicht. Wollte man uns per Gesetzgebung zwingen, wäre dies auch verfassungsrechtlich zu hinterfragen.

Sie müssen im Augenblick ziemlich oft nach Karlsruhe laufen.

Im Augenblick haben uns nur 15 Länder gebeten, zu prüfen, ob denn die Verantwortung allein auf das ZDF übergehen kann. Ein Land ist ohnehin schon klar dagegen, und die Länder bräuchten Einstimmigkeit für gesetzliche Schritte. Wir können das gelassen sehen.

Die Misstöne zwischen ARD und ZDF werden schriller.

In wichtigen Fragen stehen wir zusammen. Das ZDF ist bei den letzten drei Gebührenanpassungen relativ besser weggekommen als die ARD. Wir haben uns darüber nicht beklagt. Und auch nicht, als das ZDF sein Programmschema einseitig verändert und das Heute-Journal am Freitag an die Tagesthemen herangelegt hat, damit es vorher gleich zwei Krimis unterbringen kann - und zwar, ohne uns zu konsultieren. Als wir schließlich gesagt haben, nun wollen wir die Tagesthemen freitags auf 21.45 Uhr legen, haben wir zu einem Spitzengespräch eingeladen, um das ZDF zu konsultieren. Drei Tage vor dem Termin hat das ZDF einseitig verkündet, es geht auf den alten Freitagstermin zurück - also wieder, ohne uns zu konsultieren. Das waren unnötige Provokationen vom Lerchenberg, doch sie ändern nichts an der Einigkeit in Grundfragen.

Sie meinen in Besitzstandsfragen.

Da geht es mehr um die Rundfunkfreiheit als um Besitzstände. Wenn Brüssel versucht, uns von bestimmten technischen Entwicklungen abzuschneiden oder uns von bestimmten Inhalten abdrängen will, etwa vom massenattraktiven Sport, gefährdet dies uns beide.

Täuscht der Eindruck, oder versucht die Politik zur Zeit sehr stark, ARD und ZDF die Richtung vorzuschreiben?

Nach meinem Eindruck waren die Versuche, politisch Einfluss zu nehmen, früher stärker ausgeprägt. Jetzt ist beim Verteilungskampf der elektronischen Medien ja eher die Stabilisierung, wenn nicht der geordnete Rückzug angesagt. Da wird es mehr denn je darauf ankommen, ob in der Politik verstanden wird, wie sehr sie uns braucht, wenn diese Gesellschaft ihr nicht allmählich den Rücken kehren soll.

Interview: Markus Brauck