Das GANZE Werk - Presseschau

DIE WELT, 2. Juni 2005

Gebühren

Neu-Definition des Programmauftrages
könnte ARD und ZDF manch bittere Erkenntnis bescheren

Die Medienpolitik der Bundesländer ist mit ihrem Latein am Ende

Kommentar von Christian Seel

Es kommt in Zeiten wie diesen nicht häufig vor, daß jemand klagt, weil er soeben mehr Geld bekommen hat. Dazu gehört Chuzpe, aber die ARD-Intendanten haben davon genug. Sie werden die jüngste Gebührenerhöhung vors Bundesverfassungsgericht tragen, denn glaubt man den Bekundungen des ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber, so ist die Entscheidung zur Klage auf der nächsten Intendantensitzung nur noch eine Formsache. Nach Ansicht von ARD und ZDF hatten die Ministerpräsidenten kein Recht, die von einer Fachkommission vorgeschlagene Erhöhung um 1,07 Euro auf 88 Cent zusammenzustreichen.

Ob den Sendern nun nachträglich die "entgangenen" Millionen noch zugesprochen werden? Tatsächlich ist es höchst ungewiß, was in Karlsruhe geschieht und wie lange es dauert. Der Schuß könnte sogar nach hinten losgehen. Bislang haben die Verfassungsrichter zwar stets ihre schützende Hand über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehalten, aber seit dem letzten Urteil sind mehr als zehn Jahre vergangen. Eine Neu-Definition des Programmauftrages könnte ARD und ZDF auch manche bittere Erkenntnis bescheren. Angesichts der Stärke des privaten Unterhaltungsfernsehens dürften auch die Verfassungsrichter nicht mehr uneingeschränktes Verständnis dafür haben, wenn öffentlich-rechtliche Programme sie in diesen Disziplinen mit Gebührengeldern überbieten.

Der Gang vors Bundesverfassungsgericht zeigt aber auch, daß die Medienpolitik der Bundesländer mit ihrem Latein am Ende ist. Statt eine sinnvolle Strukturreform im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Gang zu bringen, haben sich die Ministerpräsidenten in einem tatsächlich fragwürdigen Gebührenverfahren auf einen faulen Kompromiß geeinigt. Es ist wie schon so oft: Wenn die Politik versagt, muß Karlsruhe ran.

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