Das GANZE Werk - Presseschau

Frankfurter Rundschau, 5. September 2005

Ziemlich harter Job

Ein Messe-Besuch bei der ARD

Von Oliver Gehrs

Am Morgen hing plötzlich ein riesiges Plakat vom Berliner Funkturm, auf dem das Wort „Entschuldigung“ prangte - und darunter „sagt Ihre ARD“. Die Intendanten hatten sich entschlossen, ganz unkonventionell um Verzeihung zu bitten bei all den Zuschauern, die sie über Jahre mit Schleichwerbung bombardiert haben. Am Mittag trat der langjährige ARD-Programmdirektor Günter Struve vor die Presse und verkündete, dass sich das Erste nach Jahren der Verflachung wieder um seinen Bildungsauftrag kümmern werde anstatt um all die Volksmusik, Karnevalssendungen und seichten Fernsehfilmchen, die unter Struve Seriöseres aus dem Programm gedrängt haben. Zum Schluss verteilten Hostessen kleine Tüten an Besucher der Internationalen Funkausstellung (IFA), in denen sich ein Teil der Gebühren befand, die die ARD für den Kram rausgehauen hat.

So ist es natürlich nicht gewesen. In Wirklichkeit ist die ARD bei der IFA weit davon entfernt, sich selbstkritisch zu geben. Stattdessen hat man sich entschieden, auf die Tränendrüse zu drücken, indem man etwa den Besuchern erklärt, wie hart es ist, bei der ARD zu arbeiten. Was in Zeiten, in denen die Arbeitslosenquote mancherorts noch über dem durchschnittlichen Marktanteil des Ersten liegt, so gut nicht ankommt. Nur ein paar Versprengte fanden sich denn auch am Sonntagmorgen vor der ARD-Bühne, um zu sehen, wie wuselig es hinter den Kulissen der Tagesschau zugeht. „Können Sie sich vorstellen, wie viel Arbeit hinter einem einzigen Tagesschau-Beitrag steckt?“, fragte Nachrichtensprecherin Eva Herman, anschließend erfuhr man, dass in einer Nachrichtenredaktion viel telefoniert wird und Kameras zum Einsatz kommen. „Man muss in aller Kürze alle Informationen haben“, tremolierte ein Reporter in die Kamera. Ein Regisseur verstieg sich gar zu dem Hinweis, dass sein Job schon mal mit dem eines Jetpiloten verglichen worden sei. „Man braucht ein starkes Nervenkostüm.“ Ein knallharter Job ist das also bei der Tagesschau.

Am härtesten aber ist es, wenn man als ARD-Mitarbeiter nach Berlin muss, um auf der Messe vor leeren Rängen zu erklären, dass bei der ARD alle „auch nur Menschen sind“. Was wirklich nie, nie, nie irgendjemand bezweifelt hat. Als der Tagesordnungspunkt „Gesichter der Tagesschau“ anstand, drehte eine Gruppe Jugendlicher, die sich in den Saal verirrt hatten, genervt ab. Ansonsten zierten die ARD-Halle Abbilder ihrer Moderatoren im Kim-Jong-Il-Format: Gerhard Delling, Sandra Maischberger, Reinhold Beckmann, der gute alte Fritz Wepper - sie alle lächelten auf die Besucher hinunter, die sich an den Ständen mit Rezepten aus der ARD-Serie Buffet eindeckten.

Es ist schon Jahre her, dass sich die privaten Sender von der Funkausstellung verabschiedet haben, und das war einer der klügsten Gedanken, die die Branche je hatte. Das Faszinosum Fernsehen ist keines mehr, nur die ARD tut immer noch so, als sei es gerade erfunden worden.

Dass es auch ein paar Nummern kleiner und zeitgemäßer geht, zeigt das ZDF. Der Stand hätte dem Intendanten früher wahrscheinlich nicht mal als Toilette ausgereicht - so bescheiden ist er geraten. Ein lebensgroßes Mainzelmännchen schlurfte die letzten Tage dort herum und nahm Besucher in den Arm, ansonsten gab es Torwandschießen. Denn wann immer beim ZDF lustige Veranstaltungen geplant werden, kann man sicher sein, dass irgendjemand Torwandschießen vorschlägt und alle nicken. Es reicht ja auch. Man ist ja so froh, dass man nicht mit einem überdimensionalen Abbild von Johannes B. Kerner oder Peter Hahne konfrontiert wird.