Das GANZE Werk - Presseschau (Dokumentation)

epd medien Nr. 75/2005, 24. September 2005
Interview mit dem ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber (2 Ausschnitte)

Pressemeldung zu dem Interview:

„Signalwirkung“
epd Aus Sicht des ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber hat die von epd aufgedeckte „Marienhof“-Affäre (epd 42/05) eine „Signalwirkung“ weit über die verantwortliche Produktionsfirma Bavaria Film und den betroffenen Sender ARD hinaus gehabt. Im Interview mit Volker Lilienthal zieht Gruber, Intendant des Bayerischen Rundfunks, eine Bilanz der Krise sowie der Konsequenzen und Gegenmaßnahmen, die weitere Schleichwerbung verhindern und der ARD zu neuer Glaubwürdigkeit verhelfen sollen. Zum Schluss äußert sich der ARD-Vorsitzende auch zum Streit um die Gebührenfestsetzung und die Verfassungsbeschwerde dagegen.

In dem Interview geht es ausschließlich um das Fernsehen. Es folgen zwei Ausschnitte, die auch für den Hörfunk, speziell für die Sendungen von NDR Kultur, inhaltlich bedeutsam sind.

„Hygiene in der redaktionellen Auswahl“

Der öffentlich-rechtliche Rundfunks kann es sich leisten, nur auf die Interessen der Allgemeinheit zu achten, und muss sich nicht ökonomischen Partikularinteressen dienstbar machen

Volker Lilienthal: Shows, Vor-Ort-Übertragungen und Sportübertragungen werden wohl besonders betroffen sein. Zieht jetzt eine neue Geldnot ein? Müssen Projekte abgesagt werden? Droht ein programmlicher Engpass?

Dr. Thomas Gruber, Intendant des Bayerischen Rundfunks
©Bayerischer Rundfunk

Thomas Gruber: Nein, das muss nicht erwartet werden. Aber es wird auch nicht alles so weitergehen wie bisher. Es gibt die Befürchtung, dass künftig bestimmte Sportereignisse nicht mehr bei uns stattfinden können. Meiner Ansicht nach dürfen aber nicht ökonomische Gründe den Ausschlag geben, ob eine bestimmte Sportart den Weg in unser Programm findet oder nicht. Entscheidend sind allein journalistische Kriterien. Wenn wir der Meinung sind, ein Ereignis hat es verdient, ins Programm zu kommen, dann sollten wir uns das auch leisten. Wenn es eng wird, muss man eben etwas anderes lassen. Unser Verzicht wird jetzt zu einer gewissen Hygiene in der redaktionellen Auswahl führen. Die Programmverantwortlichen müssen sich mehr noch als früher die Frage stellen, was die Zuschauer interessiert. Es wird in Zukunft nicht mehr helfen, wenn ein Sportverband anbietet, einen Zuschuss zu leisten, damit sein Turnier im Fernsehen berücksichtigt wird. (...)

Manche in der EU-Kommission wollen Product-Placement unter Umständen legalisieren. Was halten Sie davon?

Wir sind strikt dagegen (...) Wir bleiben aus grundsätzlicher Erwägung bei unserer strikten Ablehnung von jeglichem Product-Placement in unseren Programmen. Denn unser Publikum muss daran glauben können, dass von uns kommt, was wir ihm anbieten, dass das Programm neutral erstellt wurde und niemand sich mit seinen Interessen eingemischt hat. Das ist das Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der, weil über Gebühren finanziert, es sich leisten kann, nur auf die Interessen der Allgemeinheit zu achten, und sich eben nicht ökonomischen Partikularinteressen dienstbar machen muss. Das muss jeden Tag glaubhaft im Programm vermittelt werden. Das A und O ist unsere Unabhängigkeit. Damit steht und fällt die Glaubwürdigkeit.