Das GANZE Werk - Zur Diskussion gestellt

Teil 7 zu: Detigs Moderation mit dem Goebbels-Zitat

Kein leichtfertiger Umgang
mit dem Goebbels-Zitat zum Rundfunk!

Drei Bilddokumente von 1933 als Mahnung
Zitat, Interpretation von 1955 und Moderation
von Dr. Detig im Vergleich

Nach dem 30. Januar 1933: SS-Wachen vor dem Haus des Rundfunks.
Aus: Fritz Lothar Büttner, Das Haus des Rundfunks in Berlin, Berlin 1965, S. 56

„Neue Häftlinge in Oranienburg“ - Bildmeldung der „Hartungschen Zeitung“ (Königsberg, August 1933), [Bildunterschrift:] „Rundfunksünder ins KL“

[von links nach rechts:
Ernst Heilmann, Vorsitzender der preußischen SPD-Landtagsfraktion;
Fritz Ebert, Sohn von Friedrich Ebert, SPD-MdR, später SED-Mitbegründer;
Adolf Braun, Sekretär des SPD-Vorstandes in Berlin und Rundfunkreporter;
Ministerialrat Giesecke vom Reichsrundfunk;
Dr. Magnus, Direktor der Reichsrundfunkgesellschaft;
Dr. Flesch, Intendant der Berliner Funkstunde.]

Aus der nicht mehr weitergeführten offenen geschichtlichen Dokumentensammlung
www.vulture-bookz.de/imagebank/Dokumente/pages/...html

Die führenden Männer aus dem Haus des Rundfunks im KZ Oranienburg
(in umgekehrter Reihenfolge wie bei dem 2. Bild). Aus: Fritz Lothar Büttner, a.a.O.

Das Goebbels-Zitat von 1936 hat vollständig folgenden Wortlaut:

Das Programm des Rundfunks muss so gestaltet werden, dass es den verwöhnteren Geschmack noch interessiert und dem anspruchslosen noch gefällig und verständlich erscheint. Es soll in einer klugen und psychologisch geschickten Mischung Belehrung, Anregung, Entspannung und Unterhaltung bieten. Dabei soll besonderer Bedacht gerade auf die Entspannung und Unterhaltung gelegt werden, weil die weitgehend überwiegende Mehrzahl aller Rundfunkteilnehmer meistens vom Leben sehr hart und unerbittlich angefaßt wird, in einem nerven- und kräfteverzehrenden Tageskampf steht und Anspruch darauf hat, in den wenigen Ruhe- und Mußestunden auch wirklich Entspannung und Erholung zu finden. Demgegenüber fallen die wenigen, die nur von Kant und Hegel ernährt werden wollen, kaum ins Gewicht.

1955 schreibt Heinz Pohle im Anschluss an dieses Zitat:

Mit der neuen Tendenz der Programmgestaltung hatte der nationalsozialistische Rundfunk nun seine hohen kulturellen Ambitionen erheblich zurückgesteckt, und nur selten läßt sich in den Reden und Artikeln dieser Zeit das 1934 so oft gebrauchte Schlagwort vom „Rundfunk als Kultur- und Kunstinstrument“ finden. Sogar der Deutschlandsender, der „repräsentativste Sender des nationalsozialistischen Deutschland“, steht relativ stark im Zeichen der leichten Unterhaltung. Und als nach der Rundfunkneuordnung im Jahre 1937 der neue Reichsintendant seine ersten Weisungen gibt, geht er auf diesem Wege noch weiter und verkündet gemäß der vom Reichspropagandaminister ausgegebenen Richtlinie: „Die Programme der Reichssender werden für die Zukunft weitgehendst aufgelockert unter Verzicht auf alle Art geistigen Hochmuts.“

Die Rücksichtnahme auf die Wünsche der breiten Hörermasse hatte sich damit auch im nationalsozialistischen Rundfunk durchgesetzt, denn - das war im Verlaufe bisheriger Praxis erkannt worden - wollte man die Hörerschaft politisch beeinflussen, mußte man sich weitgehend nach ihren Wünschen richten, sofern diese sich lediglich auf das Gebiet der (scheinbar) unpolitischen Programmgestaltung erstreckten. Der nationalsozialistische Rundfunk war schließlich kein „Drahtfunk“, bei dem sich die Hörerschaft mit einem oder zwei Programmen abspeisen lassen oder eben abschalten mußte, sondern der Großteil der Hörer hatte bei dem hochentwickelten Stand der Rundfunktechnik jederzeit die Möglichkeit, auf einen ausländischen Sender abzuwandern - und man machte von dieser Gelegenheit je nach der Art der Programme der deutschen Sender auch Gebrauch, wie es den Berichten, die dem Propagandaministerium vorlagen, zu entnehmen war.

Diesem Übel galt es zu steuern. Was war besser geeignet, als daß man das große Unterhaltungsbedürfnis der breiten Masse befriedigte. Daß damit zugleich die geistige Widerstandskraft gebildeter Kreise, denen so manches Werk eines Dichters, Komponisten oder Philosophen auch in der Rundfunkdarbietung neuen Mut gegenüber der nationalsozialistischen Wirklichkeit gegeben hatte, geschwächt wurde, konnte den Nationalsozialisten in ihrem Kampf gegen die „Intellektuellen“ nur dienlich sein. Wenn wir vorhin also von einer „scheinbar“ unpolitischen Programmgestaltung sprachen, welche die starke Berücksichtigung des Unterhaltungsbedürfnisses der Hörerschaft darstellte, so können wir nun sehr wohl sagen, daß auch die vermehrten Programme unter dem Akzent der leichten Unterhaltung, die eine Verflachung des Niveaus aller Teile der Rundfunkprogrammgestaltung nach sich zogen, ihre politisch-propagandistische Aufgabe hatten, nämlich, die Hörermasse empfangswillig zu machen und empfangsbereit zu halten für die Stunden, in denen der Staatsbürger angesprochen, informiert und aufgeklärt, d. h. beeinflußt werden sollte. Außerdem aber gab es kein besseres Narkotikum, kein besseres Beruhigungs- und Ablenkungsmittel für die breite Masse - das sollte sich besonders im Verlaufe des Krieges erweisen - als die ständige „Berieselung durch die Unterhaltungsmaschine Rundfunk“.

Heinz Pohle, Der Rundfunk als Instument der Politik, Verlag Hans Bredow-Institut, Hamburg 1955, S. 281 - 283

2005 benutzt der Musikchef des Senders RBB Kulturradio, Dr. Christian Detig, das Zitat folgendermaßen für die Diskussion um das formatierte Kulturradio:

Da schlägt das Trommlerherz natürlich höher, Georg Friedrich Händel, La Réjouissance aus der Feuerwerksmusik, gespielt vom Ensemble [...], neun Minuten nach sieben, sieben Uhr und neun.

Achtung Zitat: »Das Programm des Rundfunks muss so gestaltet werden, dass es den verwöhnteren Geschmack noch interessiert und dem anspruchslosen noch gefällig und verständlich erscheint. Dabei soll besonderer Bedacht auf die Entspannung und Unterhaltung gelegt werden, weil die weitaus überwiegende Mehrzahl aller Rundfunkteilnehmer einen Anspruch darauf hat, in den wenigen Ruhe- und Mußestunden auch wirklich Entspannung und Unterhaltung zu finden. Dem gegenüber fallen die wenigen, die nur von Kant und Hegel ernährt werden wollen, kaum ins Gewicht.“ Zitatende.«

Und ich behaupte mal, das könnte so ohne große Abstriche jeder ARD-Intendant auch unterschreiben, ich übrigens auch, ich lasse es aber lieber, denn dieses Zitat stammt von - bitte anschnallen! - Joseph Goebbels.

Der Mann ist immer noch für Überraschungen gut und längst wissen wir noch nicht alles. Das Leben von Joseph Goebbels ist jetzt Theater geworden und zwar im Deutschen Theater. Die Frühkritik um sieben Uhr fünfundvierzig.

Lesen Sie die einzelnen Teile des RBB-Dossiers

Teil 1: Dokumentation - Moderation und Original-Zitat
Teil 2: Sinkende Hörerzahlen treiben schon seltsame Blüten
Zustimmung, Leichtfertigkeit oder Naivität im Umgang mit einem Zitat von Goebbels?
Ein Zitat, das dem systematischen Ausbau der NS-Herrschaft diente, darf nicht für die Kulturradio-Debatte missbraucht werden!
Teil 3: Musikredakteur Demmler alarmiert drei ARD-Intendanten
Karikatur zu Detigs Einfall - Da sitzen alle ARD-Intendanten an einem großen Konferenztisch, unterschreiben das Goebbels-Zitat...
... und RBB-Musikchef Detig moderiert, für Das Erste.
Teil 4: Zweierlei Maßstab des RBB
Riesenhaft hier
Der kritische Musikredakteur wird als „Straftäter“ und „Denunziant“ entlassen
Zwergenhaft da
Schonend wird die Moderation mit dem Goebbels-Zitat als „nicht glücklich“ kritisiert
Teil 5: Offener Brief zum Goebbels-Zitat
an die Intendantin des RBB und an die Intendanten von NDR und WDR:
„Ich möchte Sie bitten, derartiges in der ARD nicht zuzulassen.“
und die Antwort vom WDR.
Teil 6: Antwort der Intendanz des RBB
„Sie wissen, dass es hausintern eine kritische und konstruktive Debatte
über die Moderation von Christian Detig am 30. Mai 2005 gegeben hat“

Teil 7: Kein leichtfertiger Umgang mit dem Goebbels-Zitat zum Rundfunk!
3 Bilder als Mahnung und 3 Texte zum Nachdenken (Goebbels, Pohle, Detig)

„... Aufgabe, die Hörermasse empfangswillig zu machen für die Stunden, in denen der Staatsbürger angesprochen, informiert, beeinflußt werden sollte.“

Teil 8: Linkliste
a. Das Radio als Propaganda-Instrument in der NS-Zeit (weiterführende Literatur)
b. Zeitungsartikel zur Debatte über RBB-Kulturradio
c. Liste programmatischer Erklärungen zu NDR Kultur