Das GANZE Werk - Presseschau

ARD-Tagesschau, 13. Dezember 2005

Künftig Werbepausen zu jedem Zeitpunkt?

Brüssel erleichtert Fernsehwerbung - Europäisches Parlament und Ministerrat müssen allerdings noch zustimmen

Für Kommissarin Reding ist nichts dabei, wenn Produktnamen in Unterhaltungsprogrammen oder Ratgebermagazinen auftauchen

Mehr Werbung - mehr Kontrolle per Fernbedienung?
Ja, meint Brüssel
Foto: Wulf Rohwedder (ARD)

Die Fernsehzuschauer müssen sich künftig auf mehr Werbepausen einrichten: Die Europäische Kommission beschloss am einen Gesetzesentwurf, der die Vorschriften der TV-Werbung lockern soll. So sollen künftig Unterbrechungen in Sport- und Unterhaltungsprogrammen zu jedem Zeitpunkt möglich sein. Das gilt allerdings nicht für Nachrichten- und Kinder-Sendungen.

Auch das umstrittene Product Placement, die Platzierung von Produkten im Programm gegen Bezahlung, soll erlaubt werden, wenn vor der Sendung darauf hingewiesen wird.

Verbesserte Kontrolle durch den Endverbraucher?

Ziel des Entwurfes ist es, den Zuschauer mit der Fernbedienung selbst das Programm kontrollieren zu lassen. „Für die EU-Kommission bedeutet eine verbesserte Kontrolle durch den Endverbraucher, dass wir weniger gesetzliche Bestimmungen brauchen“, betonte Medienkommissarin Viviane Reding. „Deshalb ist das Kernstück unseres Vorschlags für eine neue, modernisierte TV-Richtlinie eine grundlegende Deregulierung der audiovisuellen Regeln.“

Europäisches Parlament und Ministerrat müssen dem Kommissionsentwurf allerdings noch zustimmen. Dort regt sich bereits Widerstand: Die Grünen im EU-Parlament kündigten ihr Nein gegen die Erlaubnis von Product Placement im europäischen Fernsehen an. „Für uns Grüne ist die klare Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten ein hohes medienpolitisches Gut“, erklärten die Abgeordneten Rebecca Harms und Helga Trüpel.

„Warum soll ein deutscher James Bond nicht BMW fahren?“

Die Freigabe des Product Placement traf auch bei deutschen Medienwächtern und Politikern auf Ablehnung. Kommissarin Reding versteht dies nicht: „Nur in Deutschland wird über Product-Placement diskutiert“, sagte sie bei einer Veranstaltung der Landesmedienanstalt Saarland in Nennig. Für sie ist nichts dabei, wenn Produktnamen in Unterhaltungsprogrammen oder Ratgebermagazinen auftauchen. „Warum soll ein deutscher James Bond nicht BMW fahren?“, sagte Reding.

In Fernsehproduktionen außerhalb Europas, vor allem aus den USA, sei Product Placement gang und gäbe. Wenn dies nicht auch für europäische Produktionen erlaubt würde, machten zum Beispiel die Amerikaner das Geschäft, das sich mit der Verschmelzung der Medien Fernsehen, Internet und Telefon zu einem stark wachsenden Markt entwickelt.

Privatsender zufrieden - Landesmedienanstalten kritisieren

Die deutschen Privatsender befürworten Product-Placement. Trotzdem bleibe auch danach das Fernsehen das am stärksten regulierte Medium, hieß es. Eine Umsetzung der EU-Richtlinie sei frühestens im Jahr 2009 zu erwarten, erklärte Verbands-Präsident Jürgen Doetz. Der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, bewertete die Vorschläge der EU-Kommission zur Werbung als halbherzig. Er hätte sich gewünscht, dass die Kommission den ganzen Schritt gegangen wäre und generell die quantitativen Werbebestimmungen aufgehoben hätte, sagte er.

Gegen eine Deregulierung sind die Landesmedienanstalten. Der Direktor der Landesmedienanstalt Saarland, Gerd Bauer, argumentierte bei dem Symposium: „Die Freiheit des mündigen Verbrauchers setzt Entscheidungsfreiheit und damit auch Transparenz der Trennung von Werbung und Programm voraus.“ Das Gebot zu dieser Trennung habe „für den freiheitlich-demokratischen Willensbildungsprozess grundlegende Bedeutung: Es stärkt die Verteidigung der Unabhängigkeit der Programminhalte und ihrer Macher gegenüber den Wünschen der Werbungtreibenden.“