Das GANZE Werk - Presseschau

Zitat: Dann die Einrichtung der süchtig machenden Literatursendungen „Am Morgen vorgelesen“ und „Am Abend vorgelesen“. Allein mit ihnen hat sich Kesting beim NDR ein Denkmal gesetzt. Grund genug, den Scheidenden zu loben.
Doch blieb nicht verborgen, dass der Sender, dem Plog heute vorsteht, nicht mehr die Heimat von Kesting ist. Das war einmal „Das dritte Programm“ des NDR, (...) ein selbstbewusster und kritischer Sender, der inzwischen NDR-Kultur heißt, aber Kultur nur noch möglichst leicht versendet.

Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ), 27. Januar 2006

Windmühlen im Kopf

Fulminantes Finale: Hanjo Kestings NDR-Abschied

Von Michael Stoeber

Ob die Stunde des Abschieds eine nur traurige oder nicht vielleicht doch auch eine glückliche sei, mochte Hanjo Kesting an diesem Abend nicht beantworten. Nach 33 Jahren Tätigkeit beim NDR geht der Leiter des Ressorts „Kulturelles Wort“ in den Ruhestand. Vieles haben ihm die Hörer, hat ihm der Sender zu verdanken. Geistvolle Essays, mitreißende Musiker- und Dichterporträts. Dann die Einrichtung der süchtig machenden Literatursendungen „Am Morgen vorgelesen“ und „Am Abend vorgelesen“. Allein mit ihnen hat sich Kesting beim NDR ein Denkmal gesetzt. Grund genug, den Scheidenden zu loben.

Die Aufgabe übernahm NDR-Intendant Jobst Plog, der die vielfältigen Talente Kestings mit Anleihen bei Tucholsky („Zivile Menschen denken polyphon“) und Schopenhauer („Köpfe, die notwendig sind, um Werke von Genies zu erkennen“) ins rechte Licht zu rücken suchte. Doch blieb nicht verborgen, dass der Sender, dem Plog heute vorsteht, nicht mehr die Heimat von Kesting ist. Das war einmal „Das dritte Programm“ des NDR, so genannt in Anlehnung an das „Third Programme“ der BBC, ein selbstbewusster und kritischer Sender, der inzwischen NDR-Kultur heißt, aber Kultur nur noch möglichst leicht versendet.

Kesting hat Quote stets durch Qualität geholt. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, dann demonstrierte der ausverkaufte Saal im hannoverschen Funkhaus des NDR bei Kestings Abschiedsveranstaltung das Interesse an dem Mann und an seinem Programm. Unter dem Titel „Edelmut und Narrheit“ hatte Kesting als Finale einen literarischen Abend zum 400. Jahrestag des Erscheinens des ersten Bandes des Don Quijote eingerichtet.

Er präsentierte das monumentale Cervantes-Werk in charakteristischen Auszügen, die er klug zu kommentieren wusste. Gelesen wurde der Text in der Rolle des Erzählers von dem hinreißenden Traugott Buhre, während Michael Maertens und Birgit Minichmayr den Don Quijote und den Sancho Pansa gaben, die sie – drängend, närrisch und idealistisch der eine, vorsichtig, bodenständig und realitätstüchtig die andere – aus der Autorität ihrer Stimmen heraus modellierten.

Frank Wulff sorgte für die musikalische Strukturierung des Abends, an dem der schlichte Sancho einmal die „Windmühlen im Kopf“ seines Herrn beklagt. Sie wirbeln die Gedanken durcheinander und bringen Luft in Alltag und Routine. Hanjo Kesting hatte sie mit Sicherheit. Seinem Nachfolger seien sie gewünscht.

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