Das GANZE Werk - Presseschau

Radio Berlin-Brandenburg (RBB), 9. Februar 2006
Quelle: rbb-online.de - Unternehmen - 25. RBB-Rundfunkratssitzung in Potsdam

Zitate: Das Urteil, das er mitnehmen musste, fiel dann auch überhaupt nicht leichtfertig, aber eben doch sehr kritisch aus.
(...) Die Musikauswahl - meist 18., 19. Jahrhundert - ist selbst den ausgewiesenen Klassikkennern unter uns viel zu eng. In der Folge kommt es einem dann tagsüber bei Kulturradio manchmal wie Fahrstuhlmusik vor.
Chor, Lied, Oper fehlen fast völlig, warum wurde nicht beantwortet.
(...) Alles in allem muss man leider feststellen, dass die Welle mit 0,9 Prozent Reichweite immer noch nicht die in sie gesetzten Hoffnungen und Erwartungen erfüllt.

25. RBB-Rundfunkratssitzung in Potsdam

Rundfunkratsvorsitzende: „Es hat ganz arg gerappelt“

Teil 1: Bericht von der Diskussion über rbb-kulturradio im Programmausschuss

Aufzeichnungstext - Teile 1 und 2 - speichern/drucken (Pdf)



Dr. Ulrike Liedtke (Vorsitzende des Rundfunkrats): Dann darf ich zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, das ist die Berichterstattung aus der Sitzung des Programmausschusses, wo es doch ganz arg gerappelt hat in der letzten Sitzung. Frau Stemmler bitte.

Karin Stemmler (Vorsitzende des Programmausschusses): Wir haben am 26. Januar getagt und hatten im wesentlichen uns mit zwei Themen befasst: mit dem Kulturradio sowie dem Polilux-Beitrag „Speed-Rückführung für Eilige“, der war am 8.12. gesendet worden.

Zunächst zum Kulturradio, „Hier spielt die Klassik“, der Spruch, den wir uns alle merken sollen - falls wir mal gefragt werden. Wie Sie sich bestimmt erinnern, ist es vor rund zwei Jahren zum 1. Dezember 2004 mit veränderter Programmphilosophie an den Start gegangen, das Kulturradio. „Tagesbegleitprogramm“ war damals eines der Schlagworte, an dem sich die Debatte entzündete. Teile der Belegschaft und der alten Stammhörerschaft - ich nenne nur Rechtsanwalt Raue - standen dieser Idee eher skeptisch gegenüber. Der Programmausschuss war da aber weniger kritisch und meinte: alles, was der Welle über die Bedeutungslosigkeitsschwelle von 0,7 Prozent hinweghelfen könnte, verdiene eine Chance.

Nun, nach zwei Jahren, haben wir uns das Programm noch einmal vorgenommen und intensiv gehört. Drei Kollegen übernahmen darüber hinaus noch spezielle Höraufträge, so dass wir gut präpariert waren für die Debatte mit Herrn Matejka. Das Urteil, das er mitnehmen musste, fiel dann auch überhaupt nicht leichtfertig, aber eben doch sehr kritisch aus.



Einige Stichworte:
• Es wurden zwar Fortschritte in der Arbeit der Moderatoren erkannt, die über die einzelnen Tagesstrecken begleiten, aber trotzdem wirken sie noch viel zu häufig wie Ansager. Überhaupt kommt die Welle gern professoral protzend mit dem eigenen Wissen daher. Die frische freundliche Ansprache fehlt, mussten wir feststellen. Von Fröhlichkeit, die man sich von dem Tagesbegleiter ja ab und zu mal wünscht, ganz zu schweigen.
• Die Gesprächsführung bei Interviews lässt zu wünschen übrig, ist zu häufig nur eine Abfragerei.
• Auch wenn es Absicht ist, dass bei dieser Welle Wortbeitrag und das darauffolgende Musikeinspiel nichts miteinander zu tun haben... sollen, wir finden das nicht gut und verstehen diese freiwillige Selbstbeschränkung auch nach der Diskussion noch immer nicht.
• Die Musikauswahl - meist 18., 19. Jahrhundert - ist selbst den ausgewiesenen Klassikkennern unter uns viel zu eng. In der Folge kommt es einem dann tagsüber bei Kulturradio manchmal wie Fahrstuhlmusik vor.
• Chor, Lied, Oper fehlen fast völlig, warum wurde nicht beantwortet.
• Die aktuelle Berichterstattung von kulturellen Ereignissen in Berlin und Brandenburg müsste verstärkt werden - unsere Region bietet da ja wirklich genügend Stoff - stattdessen kommen Beiträge zu Geburtstagen oder anderen Jubiläen gern ein bis drei Tage verspätet, wie eine Analyse des Programmheftes zeigte.
• Überhaupt fällt häufig die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf.
• So aufgeblasen und stelzig wie das Programmheft - gern auch in schlechtem Deutsch - daherkommt, so häufig hakt es auch bei den sogenannten kleinen Dingen im Sendealltag. Mal klemmt der CD-Player und das ausführlichst angekündigte Musikstück kann nicht abgespielt werden, mal verwechselt der Romanrezensent in unkonzentrierter Selbstzerstörungslust fortlaufend Irving und Updike.

Natürlich gibt es auch gute und interessante Sendungen, vor allem am Wochenende sowie in den Abendstunden. Gelobt wurden zum Beispiel die diversen Aktivitäten rund um den Mozart-Geburtstag, und die Nachrichtengebung ist ebenfalls ordentlich.

Alles in allem muss man aber leider feststellen, dass die Welle mit 0,9 Prozent Reichweite, wie die letzte Erhebung ergab, immer noch nicht die in sie gesetzten Hoffnungen und Erwartungen erfüllt.

Diese Einschätzung teilt auch, wie Sie ja soeben gehört haben, die Geschäftsleitung. Drei Tage vor unserer Sitzung hat die Intendantin die Verbesserung der Arbeit bei Kulturradio zum zentralen RBB-Unternehmensziel erhoben, also nicht die Fußball-WM, nicht die Wahlen in Berlin, sondern „Hier spielt die Klassik“. Das macht Mut und lässt sicher neue Kräfte wachsen.

Wir sind in der Sitzung am 26. Januar ausdrücklich um Geduld gebeten worden, und die wollen wir auch gern aufbringen, zumal es einen Lichtblick gibt: Die Hörerschaft von Kulturradio hat sich deutlich verjüngt. Sie ist jetzt bei 52,9 Jahren, wie uns Herr Matejka sagte.

Dr. Ulrike Liedtke: Dankeschön.

Dauer: 4 Minuten und 38 Sekunden
Dr. Wilhelm Matejka ist der Chefredakteur von Kulturradio.

Lesen Sie den Teil 2: Diskussion über den Bericht
Die Leitung des Hauses flieht vor einer Diskussion über die „Philosophie des Programms“
Warum auch nicht, wenn Kant und Hegel dort nicht so viel zählen?
Mit einer kurzen kritischen Anmerkung vom GANZEN Werk
Bewundernswerte Logik: Die Alten werden ausrangiert!

Lesen Sie außerdem:
Zwischen „Abfragerei und Fahrstuhlmusik“
Vom Sahnestück zum Problemfall: Intendantin Dagmar Reim hat das Kulturradio des RBB zur Baustelle des Senders erklärt
Berliner Morgenpost, 20. Februar 2006