Das GANZE Werk - Presseschau

Hamburger Abendblatt, 6. Juli 2006

ZITAT
Abendblatt: Die Spekulationen, daß Sie vorher aufhören, sind dennoch unüberhörbar.
Jobst Plog: Spekulationen sind immer da. Und evident ist auch, daß ich ein Interesse daran habe, diesem Haus die errungene Unabhängigkeit von der Politik zu erhalten. (...) Was ich dpa gesagt habe, und das war vielleicht schon ein bißchen leichtfüßig: Wenn ich dazu beitragen kann, daß es eine vernünftige Nachfolgeregelung gibt, dann kann ich auch früher aufhören. Das ist zwar in der Theorie vernünftig und richtig, doch aus heutiger Sicht hätte ich das nicht mehr erklärt, weil es zu Spekulationen Anlaß gibt. Eine konkrete Grundlage dafür gibt es nicht. Sicher ist: Ich werde nicht noch einmal kandidieren.

Standpunkte: „Ich hatte noch nie eine rote Mehrheit“, sagt der NDR-Intendant

„Gremien stehen heute nicht mehr stramm“

Jobst Plog über den Einfluß der Parteien auf den NDR und seine Zukunftspläne

Interview: Hans-Juergen Fink, Karin Franzke

Originalansicht des Interviews (Pdf - 483 kb)
 
Jobst Plog (65) ist seit 1991 Intendant des NDR in Hamburg. Der Jurist hat ein Gespür für politische Macht-
verhältnisse und den An-
spruch auf Unabhängigkeit.
Foto: Rätzke, Hamburger Abendblatt

Hamburg – Berichte über eine Machtverschiebung im Rundfunkrat des NDR und einen entsprechenden Entwurf aus der Staatskanzlei des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff sorgten für Spekulationen. Im Abendblatt-Interview bekräftigt NDR-Intendant Jobst Plog, er wolle seinen Vertrag bis 2009 erfüllen.

Abendblatt: Die Öffentlich-Rechtlichen waren lange Zeit als Hochburg der parteipolitischen Postenverteilung verschrien. Wie sehen Sie das heute?

Jobst Plog: Das ist jedenfalls im NDR vorbei. In den letzten zehn Jahren hat die Partei-Frage bei keiner Personalentscheidung hier im Haus irgendeine Rolle gespielt. Es heißt nicht mehr, die „Farbe“ des Landesfunkhausdirektors muß sich nach der „Farbe“ der Landesregierung richten. Ich kann nicht sagen, daß das Problem für alle Zeiten geheilt ist, aber für die Arbeit im Haus spielt das gegenwärtig keine Rolle mehr.

Die Partei-Ansinnen kommen ja auch eher von außen, beispielsweise von Niedersachsen-Chef Christian Wulff.

Ein so großes Flächenland wie Niedersachsen, das zudem nicht homogen ist, hadert damit, daß der NDR-Sitz in Hamburg ist. Sich da verstärkt zu kümmern, dort Fahne zu zeigen, das ist richtig. Daß die Ministerpräsidenten idealtypisch lieber den Intendanten aussuchen würden, glaube ich auch, aber dagegen steht leider die Verfassung.

Sie selbst sind Intendant geworden, als damals noch alle drei NDR-Vertragsländer an die SPD gefallen waren und haben den CDU-gewählten Intendanten Peter Schiwy abgelöst.

Damit sind einige Sagen verbunden. Tatsächlich hatte Peter Schiwy damals einen Vertrag, aus dem niemand ihn hätte lösen können. Die veränderte politische Mehrheit in den drei Ländern hatte überhaupt keine Aus- wirkungen auf den Rundfunkrat. Ich hatte übrigens, so lange ich Intendant bin, dort noch nie eine rote Mehrheit. Auch keine schwarze. Teil der Entpolitisierung in den Gremien war und ist, daß es keine Blöcke mehr gibt. Man muß durch fachliche Vorschläge überzeugen. Zurück zu Ihrer Frage nach meiner ersten Wahl zum Intendanten: Ehe es eine Novellierung des Staatsvertrags mit einer politischen Lösung gegeben hätte, nahm man lieber einen aus dem Hause, den man kannte. Ich hoffe, daß diese Vernunft auch anhält. Nach mir.

Die Spekulationen über die Nach-Plog-Zeit sind ja auf dem Markt. Verknüpft mit Spekulationen über Staatsvertragsänderungen und politischen Wünschen. Ist das nicht ein Rückfall in alte Verhaltensmuster?

Ich denke, alle, die in den Gremien sitzen, sind gut beraten, sich auf ihre Unabhängigkeit zu besinnen. Übrigens neigen die Gremien viel weniger als gemeinhin angenommen zum Strammstehen. Erinnern Sie sich mal an Berlin-Brandenburg, wo der neue Rundfunkrat des RBB noch gar nicht amtierte und sich die Regierungschefs schon auf Ulrich Deppendorf als neuen Senderchef geeinigt hatten. Statt dessen wurde Dagmar Reim Intendantin.

Wann müssen denn die Gremien das nächste Mal wählen?

Die erste Zäsur ist die Wahl meines Stellvertreters, sein Vertrag läuft Mitte nächsten Jahres aus. Die zweite Zäsur ist das Auslaufen meines Vertrages, und das ist der 15. Januar 2009.

Die Spekulationen, daß Sie vorher aufhören, sind dennoch unüberhörbar.

Spekulationen sind immer da. Und evident ist auch, daß ich ein Interesse daran habe, diesem Haus die errungene Unabhängigkeit von der Politik zu erhalten. Bis jetzt gibt es niemanden, der gesagt hat, ich möge früher aufhören. Was ich dpa gesagt habe, und das war vielleicht schon ein bißchen leichtfüßig: Wenn ich dazu beitragen kann, daß es eine vernünftige Nachfolgeregelung gibt, dann kann ich auch früher aufhören. Das ist zwar in der Theorie vernünftig und richtig, doch aus heutiger Sicht hätte ich das nicht mehr erklärt, weil es zu Spekulationen Anlaß gibt. Eine konkrete Grundlage dafür gibt es nicht. Sicher ist: Ich werde nicht noch einmal kandidieren.

Haben Sie Pläne für die Zeit danach?

Die gehen in Richtung Beratung, Strategie, Consulting. Spannend ist auch der deutsch-französische Kontext, allerdings nicht im operativen Bereich. In beiden Ländern kenne ich mich ganz gut aus. Das alles hat zwar noch Zeit, muß aber auch vorbereitet werden.

Dennoch ein Blick in die Zukunft: Wie entwickelt sich diese Rundfunklandschaft in den nächsten 20 Jahren, wo sehen Sie die ARD?

Man kann die Medienentwicklung höchstens über einen Zeitraum von fünf Jahren halbwegs sicher vorhersehen: Die Entwicklung wird ganz klar von den Hauptprogrammen dominiert, mit leicht bröckelnden Gesamtwerten insgesamt. Es wird Umschichtungen geben bei den Privatsendern, sie werden viele ihrer Highlights ins Pay-TV verlagern, weil sie dort zu refinanzieren sind. Und sie werden mit den Öffentlich-Rechtlichen über gemeinsame Aktivitäten reden wollen, wie es mit der BBC bereits geschieht, nach dem Motto: Wollt ihr nicht eure Schätze aus dem Archiv in gemeinsame Pay-Angebote stellen? Da ist die ARD allerdings zögerlich, weil wir unsere Pretiosen auch in den Dritten weiterverwerten – denken Sie nur an den „Tatort“. Das Internet wird stärker werden, die Begrenzung, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier gemacht hat, muß diskutiert werden.

Dies hat nicht dazu geführt, daß sich ein Informationsprofil geschärft hat. Muß da nicht mehr getan werden?

Wir haben im Ersten einen Informationsanteil von mehr als 40 Prozent, das ist für ein Vollprogramm ein hervorragender Wert. Die Frage wird sein, ob wir im digitalen Bereich ein Rund-um-die-Uhr-Informationsangebot machen.

CNN übernimmt manchmal die Lufthoheit in internationalen Krisen.

CNN ist nicht wirklich bedrohlich, es ist wegen der Sprache nur für ein kleines Publikum interessant.

Wo sehen Sie die größten Gefahren, wenn wir uns auf fünf Jahre einigen?

Wir haben immer eine Achillesferse: Wenn es eine allgemeine Abkehr vom solidarfinanzierten System gäbe, dann wäre das eine Gefahr. Wir müssen unsere gesellschaftliche Akzeptanz erhalten. Sie basiert auf einem kontinuierlichen Dialog mit der Gesellschaft und der Politik – und darauf, daß wir genutzt werden.

Fritz Pleitgen, Günter Struve, Jobst Plog – diese drei Männer gelten als die Väter der ARD. Sie sind aber, mit Verlaub, alle im Rentenalter. Wie sieht's mit einem Generationenwechsel aus?

Alte Elefanten mögen eben nicht so gerne aufhören. Ein paar Dinge möchte man auch gerne noch auf Kiel legen, zum Beispiel: Wie stellt sich die ARD zum ZDF und mit dem ZDF auf? Es ist ja manchmal ein doch merkwürdiges Verhältnis. Man sitzt einerseits im gleichen Boot, und gleichwohl denken immer beide darüber nach, wer wird wohl länger weiterrudern. Dabei geraten dann beide gelegentlich aus dem Rhythmus. Da ist man ganz gern noch eine Weile Taktgeber.

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