Das GANZE Werk - Presseschau

Frankfurter Rundschau[], 21. Februar 2007

Zitat:
Klaus Staeck: Kultur als Sendeauftrag - Dafür bezahlten die Bürger schließlich Gebühren, und hätten daher ein Recht auf kritische Sozialreportagen, Features, Hörspiele, Lesungen und fundiert recherchierte Berichte, die von kompetenten Fachredaktionen betreut werden.

Suche im Dschungel

Das Radio und die Kultur - eine Berliner Akademietagung

Von Thomas Klatt

Vor Jahren schon ist die Qualität der deutschen Kultur-Radioprogramme in die Diskussion geraten. Die Programmreformer sprechen von besserer „Durchhörbarkeit“ dynamischer „Tagesbegleitprogramme“, die vor allem jüngere Hörerschichten ansprechen sollen. Kritiker hingegen sehen die Zerschredderung des Wortprogramms zu einem öffentlich-rechtlichen Dudelfunk, mit computergenerierter CD-Auswahl statt kompetenter Moderation und Musikpräsentation: Die Streichung von Sende- und Arbeitsplätzen gehe auf Kosten der Qualität.

Als löbliche Ausnahmen gelten die nationalen Programme von Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk. Das fand beim 9. Berliner Akademiegespräch über das Radio und die Kultur auch Akademiepräsident Klaus Staeck. Kultur als Sendeauftrag: Dafür bezahlten die Bürger schließlich Gebühren, und hätten daher ein Recht auf kritische Sozialreportagen, Features, Hörspiele, Lesungen und fundiert recherchierte Berichte, die von kompetenten Fachredaktionen betreut werden.

Spätestens 2015 wird das Radio komplett digitalisiert sein

„Wieso gibt es nicht auch wieder Sprachkurse für Migranten im Radio? Auch den Inländern täte die Pflege ihrer Sprache via Rundfunk gut“, meinte Johannes Wendt, früher RBB-Hörfunkredakteur. Noch gar nicht im Blick der Öffentlichkeit sei zudem die kommende Komplett-Digitalisierung des Hörfunks in Deutschland. Spätestens 2015 gehören MW, LW und UKW der Vergangenheit an.

Wendt befürchtet gar - als Folge technischer Machbarkeit - eine endgültige geistige Entleerung und Atomisierung bisher geschlossener Wortprogramme hin zum „Audio-Finger-Food“. Aber man dürfe nicht der Nostalgie erliegen, entgegnete der BR-Hörfunkkoordinator Christoph Lindenmeyer. Die Digitalisierung berge auch Chancen, etwa eine Visualisierung des Hörfunks. Daran arbeiteten bereits Forschungsinstitute wie auch Rundfunkanstalten. Neue Formate müssten ausprobiert werden, jede Programmreform sei im Fluss.

Die Quoten der 20 regionalen ARD-Kulturprogramme sind gestiegen

„Wir sollten das Publikum nicht unterschätzen. Die lassen sich nicht einfach alles vorsetzen“, versicherte Lindenmeyer. Dem kann Wolfgang Hagen, Chef der Musikabteilung bei Deutschlandradio Kultur, nur zustimmen. Jeden Tag hörten immerhin 80 Prozent aller Bundesbürger Radio, und nicht nur nebenbei, sondern als Information. Laut Media-Analyse stiegen die Quoten der 20 regionalen Kulturprogramme des ARD-Hörfunks.

Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum hob den vom Bundesverfassungsgericht garantierten Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervor: „Die GEZ-Gebühr ist eine Qualitäts-Sicherungs-Gebühr“, mahnte Baum. Das Radio diene nicht nur der Abbildung der Kultur, sondern schaffe sie auch, allein durch die Aufnahmen und Auftritte der hauseigenen Radio-Symphonieorchester und -Chöre. Allerdings müssten deren Aufführungen im Äther erst einmal gefunden werden - schwierig bei der Dichte des Radio-Dschungels mit fast 400 Wellen in Deutschland. Da seien die gehobenen Programme immer seltener zu finden. Auf UKW herrsche eine zunehmende Hörer-Irritation.

Die dürfte mit der kommenden Digitalisierung und Podcastisierung nur noch zunehmen. Das gute alte Kulturradio kann man sich in digitaler Zukunft vielleicht nur noch aus dem Hörfunk-Museum zuschicken lassen.

Lesen Sie außerden:

Dreizehn Thesen zur Renaissance der politischen Kultur
„Aus Weghörern müssen wieder Zuhörer werden. Nur so kann sich ein Kulturradio auch als Fels in der Brandung neuer digitaler Massenangebote behaupten“
Von Johannes Wendt, Berlin, 19. Februar 2007

Ausführliche Darstellung des Tagungsverlaufs
9. Akademie-Gespräch: Das Radio und die Kultur
Der Weblog der Akademie der Künste, beim GANZEN Werk chronologisch dokumentiert

Von: Den Kulturauftrag ernst nehmen
Bis: K.O.-Schlag für deutsche Kultur in der dritten Runde?
Akademie der Künste Berlin, 19. Februar 2007

Das Radio und die Kultur - Wider die audio-finger-food
Hauptreferat zum 9. Akademie-Gespräch
Von Johannes Wendt, Berlin, 19. Februar 2007

Klaus Staeck: Einführende Worte zum 9. Akademiegespräch
„Öffentlich-rechtlicher Rundfunk hat Kultur als Querschnittsaufgabe wahrzunehmen. Das gesamte Medium muss als Kulturinstrument verstanden werden.“
Akademie der Künste Berlin, Pressemitteilung, 28. Februar 2007

Suche im Dschungel
Das Radio und die Kultur - eine Berliner Akademietagung
Frankfurter Rundschau, 21. Februar 2007

Kultur, gut
Puristen vs Podcaster: Deutschlands anspruchsvolle Radio-Macher
streiten über die mediale Zukunft, Der Tagesspiegel, 21. Februar 2007

Veranstaltungsankündigung
9. Akademie-Gespräch: Das Radio und die Kultur
Akademie der Künste Berlin, 14. Februar 2007