Kulturwellenvergleich Nr. 1

Radiokultur in Deutschland zweigeteilt?

Kulturwellen im Nord-Süd-Profil

Kurzfassung einer kollektiven Höraktion
8. August 2006, 15 bis 17 Uhr

Vollständige Broschüre - Langfassung und 5 Dokumente (Pdf - 316 kb)

Die Kulturprogramme des Bayerischen Rundfunks (Bayern 4 Klassik), Hessischen Rundfunks (hr2), Norddeutschen Rundfunks (NDR Kultur), Südwestrundfunks (SWR2) und Westdeutschen Rundfunks (WDR3) wurden von Mitgliedern der Initiative Das GANZE Werk (Nord) am 8. August von 15 bis 17 Uhr gehört, aufgenommen und analysiert. Ziel war es, aus dem Nord-Süd-Profil der ARD-Kulturwellen zu erfahren, inwiefern der den ARD-Anstalten obliegende Kultur- und Bildungsauftrag erfüllt werde.

Es erwies sich, dass alle Programme außer NDR Kultur den Nachmittag als Schwerpunktzeit verstehen und diesen Zeitraum für größere Zusammenhänge reservieren. Sie erkunden mit einfühlsam gestalteten Sendungen ein weites kulturelles Feld, verwechseln nicht die unterhaltsame Präsentation mit populistischen Manövern und garantieren so, dass unabhängig von der Alterszugehörigkeit sowohl kulturell einschlägig vorgebildete als auch neugierige Hörerschichten angesprochen werden.

Hinsichtlich der stilistischen Bandbreite und Gattungsvielfalt der gesendeten Musik liegen die Programme des Südens und Westens vorn. Sie agieren zwar unterschiedlich, doch im Hinblick auf ihre Vermittlerrolle stets sachbezogen und zielgerichtet. Während sich NDR Kultur ganz auf Einzelsätze aus Kompositionen konzentriert und diese stilistisch wie gattungsbezogen auf wenige Werke beschränkt, zeigen die übrigen Programme mehr Mut. Sie senden mehr geschlossene Werke, präsentieren die sehr persönlich wirkende Gattung des Kunstliedes und starten lustvoll Ausflüge in die Moderne. Zugänglichkeit um jeden Preis, ein beliebiges Durcheinander der Epochen, ein Mischmasch von populärer und nicht so häufig gespielter Musik oder der Rückzug auf „Greatest Hits“ stehen im Süden und Westen nicht zur Debatte. Diese Kulturwellen nehmen Kultur ernst und begreifen sich als Partner, der neugierig gewordenen Nebenbeihörern die Ohren öffnet, sie mitnimmt und zur Teilnahme an Kultur gleichermaßen animiert wie befähigt.

Wichtiges Medium der Kulturvermittlung ist im Hörfunk die Sprache. Auch hier zeigt das Nord-Süd-Profil der ARD-Kulturwellen signifikante Unterschiede. Der Bogen spannt sich vom „Ausloten des eigenen existentiellen Standortes“ (Bayern 4 Klassik), der sensiblen Vorstellung einer Compact Disc mit Liedern von Richard Strauss (hr2), der pointierten Aufklärung über Lebensumstände des Bach-Zeitgenossen Jan Dismas Zelenka (WDR3) auf der einen Seite und demgegenüber einer mal zusammenhangslosen, mal reißerischen, sprunghaften oder wichtigtuerischen Moderation (NDR Kultur). Sie ist u.a. gekennzeichnet durch das Bemühen, grammatische Unebenheiten der Jugendsprache nachzuahmen, Höreindrücke zu Events werden zu lassen oder Beschreibungen von Künstlern bzw. Aufführungsorten durch eine Häufung von Superlativen zu würzen.

Selbst dann, wenn so simple Zusammenhänge wie Programm- und Veranstaltungstipps erfolgen, offenbart sich ein qualitativer Abfall vom Süden und Westen zum Norden. Geradezu beispielhaft wird dann aus „der historischen Stadthalle in Wuppertal“ (WDR3) im Norden ganz unhanseatisch superlativisch einer „der schönsten Konzertsäle Deutschlands, die Stadthalle in - oh Wunder - Wuppertal“.

Fazit

In einer zufällig gewählten nachmittäglichen Kernzeit erfüllen die Kulturprogramme Bayern 4 Klassik, hr2, SWR2 und WDR3 den Kultur- und Bildungsauftrag weder mit akademischen Attitüden noch mit Anbiederungen ebenso lustvoll wie engagiert. NDR Kultur kann und will da nicht mithalten und positioniert sich im unteren Bereich eines Bewertungsspektrums.

Inhalt der Broschüre, 16 Seiten
Kulturwellen im Nord-Süd-Profil, Kurzfassung (der Text oben)Seite 2
Kulturwellen im Nord-Süd-Profil, Langfassung mit 15 Moderationsbeispielen und FazitSeite 3
Dokumentation 1: Die im Internet veröffentlichten Sendepläne für den 08.08.2006, 15-17 Uhr  Seite 10
Dokumentation 2: Statistik (Gattungen, Stilrichtungen, Zahl ganze Werke/Einzelsätze, DauerSeite 11
Dokumentation 3: Chronologischer Ablauf der 5 Sendungen, nebeneinanderSeite 12
Dokumentation 4: Gespielte Werke (vollständig, Einzelsätze), nach SendernSeite 14
Dokumentation 5: Programmvorschläge der Initiative Das GANZE Werk (Nord), 09.04.2006Seite 16

Verfasser und Herausgeber: Initiative Das GANZE Werk (Nord), Der Sprecherrat, verantwortlich im Sinne des Presserechts: Theodor Clostermann
Das GANZE Werk (Nord), E-Mail: dgw-nord@t-online.de (dgw-nord@t-online.de)

Lesen Sie den Kulturwellenvergleich Nr. 2:
Morgenstund' hat Gold im Mund, doch es ist nicht alles Gold, was glänzt
Kulturwellenvergleich Nr. 2 - Montag, 18. Juni 2007, 7 bis 8 Uhr
Neun Kulturwellen im Vergleich
Das Tal der niederen Radiokultur in den nord- und mitteldeutschen Sendegebieten
Mitteilung zum Kulturwellenvergleich Nr. 2
Das GANZE Werk (Nord), 8. Oktober 2007

Außerdem von den Veröffentlichungen:
Programmvorschläge der Initiative Das GANZE Werk (Nord)
Beschluss vom 9. April 2006 für die Podiumsdiskussion am 8. Juni 2006 in Hamburg