NDR Kultur - Korrespondenz, Romanns Thesen

Hörfunkdirektor Romann antwortet einem Hörer aus Lübeck
im Namen von Intendant Prof. Plog, 21. Januar 2005

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Kommentar von Theodor Clostermann: Manupulation des Hörerwillens auf NDR Kultur?

Norddeutscher K-Wirrwarr

Kommentar zu den Thesen über NDR Kultur, von Ludolf Baucke

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Wie Gernot Romann, Programmdirektor Hörfunk beim Norddeutschen Rundfunk, gern und zuletzt in seiner Antwort an den NDR-Hörer Feldheim mitteilt, scheinen sich Gräben zwischen tages- und nachtkulturellen Hörgewohnheiten aufzutun. Romanns Brief bezieht sich auf zahlreiche Untersuchungen und Studien, die meines Wissens nirgends veröffentlicht worden sind. Abends und nächtens viele Stunden lang komplette klassische Werke, tagsüber ein musikalisch facetten- und abwechslungsreiches Musikprogramm ohne längere komplexe Werke.

Klassisch, Kultur, komplett summieren sich zu einem Komplex, der lt. Duden-Fremdwörterbuch als Zusammenfassung, Verknüpfung von verschiedenenTeilen zu einem geschlossenen Ganzen verstanden werden kann. Was kann sonst mit Komplex gemeint sein? Etwa im psychologischen Sinne eine stark affektbesetzte Vorstellungsgruppe, die nach Verdrängung aus dem Bewußtsein vielfach Zwangshandlungen, -vorstellungen oder einfache Fehlleistungen auslöst? Verdrängt wird tagsüber das längere komplexe Werk. Es mag ebenso vielschichtig wie zusammenhängend sein, doch laut Romann hat eine Mehrzahl klassisch interessierter Hörerinnen und Hörer am Tage nicht genügend Zeit und Muße für derlei Künstlerisches. Solche Mutmaßungen freilich können nur in Norddeutschland vorgebracht werden. Schon im Sendegebiet des WDR, erst recht aber südlich der Mainlinie gibt es - wie Blicke in die auch andernorts exklusiven Klassikprogramme des Hörfunks zeigen - mehr Zeit und Muße für Anspruchsvolles.

Oder versteht Romann „komplex“ etwa in der Kontroverse der zeitgenössischen Komponisten zwischen „Neuer Einfachheit“ und „Neuer Komplexität“? Vermutlich reicht ihm als kulturellem „weight watcher“ die Magerkost des Anspruchslosen. Wer sein Publikum allerdings jahrelang tagsüber für dumm verkauft, darf sich nicht wundern, wenn nach geraumer Zeit die Dummheit zum Flächenbrand ausufert.

Kunst, Können und Kultur haben in einer großen Koalition mangelnder Kompetenz tagsüber ausgedient. Zum Komplott gehört, die Nachfrage nach Kultur mangels Angebot beseitigt zu haben. Komplexere Anregungen erübrigen sich. Kompliment für derart unbekümmert von Bildungskompetenz gereinigtes Kulturbewußtsein, das die hörfunkeigenen Klangkörper abwertet, gesprochenes Wort zuweilen auf penetrante Eigenwerbung kastriert und als faulen Kompromiss plaudernden Konferenciers überläßt...

Thesen über NDR Kultur

NDR Kultur ist das einzige Programm des Norddeutschen Rundfunks, das klassische Musik sendet. Insofern muss es Ziel und Anspruch von NDR Kultur sein, möglichst viele klassisch interessierte Hörerinnen und Hörer zu erreichen. Aus zahlreichen Untersuchungen und Studien wissen wir, dass sie in der Mehrzahl am Tage nicht genügend Zeit und Muße haben, sich längeren komplexen Werken zu widmen. Als Programmgestalter möchten wir möglichst viele unterschiedliche Interessen und Erwartungen unserer Hörerschaft miteinander in Einklang bringen, im Übrigen auch die derjenigen Hörer, die an kulturellen Wortbeiträgen interessiert sind. Der gefundene programmliche Kompromiss, wird - denke ich - allen gerecht: NDR Kultur sendet am Tage ein musikalisch facetten- und abwechslungsreiches Musikprogramm und viele tagesaktuelle kulturelle Informationen.

Hörfunkdirektor Romann antwortet einem Hörer aus Lübeck im Namen von Intendant Prof. Plog, 21. Januar 2005