Das GANZE Werk - Korrespondenz zur Eingabe 2008/09

Das GANZE Werk, 2. Februar 2009

„Deshalb reichen wir die Eingabe jetzt definitiv ein
und ergänzen sie um eine Beschwerde wegen der Werbung
und der werblichen Elemente auf NDR Kultur.“

„Formatologen haben Minderheiteninteressen verbannt” (HAZ)

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Sprecherrat der Bürgerinitiative
für mehr Radiokultur
Das GANZE Werk (Nord)
p.A. Theodor Clostermann
21465 Reinbek ...
 

An die
Mitglieder des
Rundfunkrates des
Norddeutschen Rundfunks

Betr.: Programm von NDR Kultur – Eingabe an den Rundfunkrat

„Formatologen haben Minderheiteninteressen verbannt” (HAZ)

2. Februar 2009

Sehr geehrter Herr Dr. Kutz,

vielen Dank für Ihren Brief vom 14. Januar 2009.

Seit fünf Jahren bietet das Tagesprogramm von NDR Kultur zwischen 6 und 19 Uhr (am Wochenende ein wenig kürzer) eine Abfolge von Beiträgen, die den Namen Programm eigentlich nicht verdient. Es ist als „Tagesbegleitung“ eher eine Mixtur aus - auf maximal 3 Minuten gestauchten - Wortbeiträgen, die überwiegend von aktuellen und beworbenen Kultur-Waren oder -Dienstleistungen handeln, und zahlenmäßig begrenzten Einzelmusiksätzen aus dem Rotationsvorrat, die im Durchschnitt eine Dauer von 5 Minuten haben, zum allergrößten Teil regelmäßig wiederkehren („gefühlte“ 80 %: Bizet, Albinoni, J.S. Bach usw.) oder der „aktuellen“ Bewerbung dienen („gefühlte“ 12 %: A. Netrebko „Souvenirs“ usw.).

Wenn die Hannoversche Allgemeine Zeitung, eine wichtige Zeitung in unserem Sendegebiet, vor kurzem auch für NDR Kultur feststellt, dass „die ‚Formatologen’ vermeintliche Minderheiteninteressen“ aus dem Programm „verbannten“ (Norddeutscher Rundfink - Die Radiowoche von Günter Fink, 20. Januar 2009), dann kommen Zweifel an dem Beschluss des Programmausschusses von Ende 2004 auf, die Programmreform von NDR Kultur sei „richtig“.

Wenn viele Kultur- und Musikliebhaber nach fünf Jahren des durchformatierten Tagesbegleitprogramms sagen: „NDR Kultur höre ich nicht mehr, das halte ich nicht aus. Ich höre den Deutschlandfunk“ (bzw. im Süden Niedersachsens den WDR3 oder hr2), dann kann die Programmreform von NDR Kultur nicht einfach als „richtig“ bezeichnet werden.

Wenn alle kulturellen Entscheidungsträger außerhalb des NDR, mit denen wir sprechen, auch das Gleiche sagen und wenn wir feststellen, dass im Westen und Süden Deutschlands täglich tagsüber ein reichhaltiges Musik-, Kultur- und Bildungsprogramm auf beachtlichem Niveau gesendet wird, dann sollte man bei dem kompromisslosen Beschluss von Ende 2004 eher von einer Fehlentscheidung sprechen.

Wenn man außerdem bedenkt, dass das Tagesprogramm von NDR Kultur von Werbung durchsetzt ist (siehe CD-Tipps zugunsten der „Major Labels“) bzw. von ständigen „werblichen Elementen“ (Ex-Intendant Prof. Jobst Plog, Brief vom 4. Oktober 2005) geprägt wird, dann sollte das Programm nach fünf Jahren gründlich evaluiert werden.

Denn die Gebührenzahler, die tagsüber Musik- und Kultursendungen mit einem täglichen gesellschaftlichen Mehrwert hören wollen und die laut Staatsverträgen und Bundesverfassungsgericht einen Anspruch auf ein qualitatives Informations-, Bildungs-, Unterhaltungs- und insbesondere Kulturprogramm haben, dürfen nicht einfach als kleine Minderheit für Höchstkultur abgestempelt werden, wie es Intendant Lutz Marmor am 9. Dezember 2008 ausgesprochen hat: „Manchmal gibt es da von Anhängern der Höchstkultur auch Kritik.“ (Braunschweiger Zeitung vom 9. Dezember 2008) Denn der Abschlussbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ spricht genau diese Problematik an, indem er eindeutige Handlungsempfehlungen aufzeigt (siehe Eingabe und Broschüre).

Der Beschluss des Programmausschusses von Ende 2004 war von dem Wunsch von Ex-Hörfunkdirektor Gernot Romann geprägt, dass die Stammhörer sich im Laufe der Zeit an den neuen Format-Stil gewöhnen würden: „NDR Kultur verfolgt mit dem neuen Programmangebot einzig und allein die Integration der vielschichtigen Klientel der Klassik- und Kulturinteressierten.“ (NDR Kultur - Klassikclub Magazin, September 2004). Die Abwanderungsbewegung zeigt, dass eine größere Hörerzahl dieser Auffassung nicht gefolgt ist. Und die Kritik der verbliebenen Hörer wurde auch in der Diskussionssendung auf NDR-Info mit Intendant Lutz Marmor und Hörfunkdirektor Joachim Knuth am 17. September 2008 deutlich, als die Moderatorin sagte: „(ganze Werke,) ein Thema, das immer wieder in Mails angesprochen wird”.

Wir verstehen uns als das Sprachrohr derer, die nicht hinnehmen wollen, dass der öffentlich-rechtliche Sender im Norden Deutschlands ihnen - trotz der Gebühren - Kultur nur eingeschränkt vermittelt und Kultur- und Bildungsreichtum tagsüber vorenthält, der andernorts selbstverständlich ist.

Als Lösung schlagen wir schon seit fünf Jahren vor, dass es für die „verbannte“ Hörergruppe täglich und tagsüber mindestens vier Stunden lang zusammenhängende Musiksendungen gibt. Eine Kombination von tagesaktuellen Sendestrecken und gebundenen Musik- und Wortsendungen ist inzwischen das Prinzip der qualitativ höherwertigen Kultursender im Westen und Süden Deutschlands, sie würde NDR Kultur im Endergebnis auch mehr Hörer bringen.

Die im Jahr 2008 nach dem Einreichen unserer Eingabe gemachten Gespräche mit dem NDR haben schließlich gezeigt, dass unterhalb der Ebene der Intendanz keine Gesprächsbereitschaft bestand. Die einzige relevante Änderung, die Einführung des Sonntagskonzertes von 11 bis 13 Uhr haben wir als „Lichtblick“ begrüßt, sie ist insgesamt aber nicht mehr als ein Trostpflaster.

Deshalb reichen wir die Eingabe jetzt definitiv ein und ergänzen sie um eine Beschwerde wegen der Werbung und der werblichen Elemente auf NDR Kultur.

Wir wären dankbar, wenn sich der Programmausschuss zu einer öffentlichen Anhörung zu Fragen des Programmauftrages und zur Praxis von NDR Kultur entschließen könnte, zu der wir dann bitten, angehört zu werden.

Bitte leiten Sie diesen Brief an alle Mitglieder des Rundfunkrates weiter.

Wir erwarten rechtsverbindliche Bescheide.

gez. Theodor Clostermann
gez. Ludolf Baucke