NDR Kultur - der Werbespruch, auch „Claim“ genannt

Das GANZE Werk zu: NDR Kultur seit Anfang August 2006

Eine Radiolüge? In jedem Fall eine Provokation

Die Werbung von NDR Kultur: „NDR Kultur - hören und genießen!“
Die Praxis von NDR Kultur: „NDR Kultur - stören und verdrießen“

12 Thesen zur Unglaubwürdigkeit des frisch gekürten „Claims“
- entlang der Kritikpunkte an NDR Kultur

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1 - Höheres Niveau als NDR Kultur - ein Genuss!

Wenn ein Autofahrer irgendwo unterwegs plötzlich im Radio - und sei es auch nur verrauscht - einen klassischen Musiksatz hört, kann es für ihn in dieser Situation ein Musikgenuss sein. Das ist aber nicht der Maßstab. Wenn NDR Kultur in weiten Gebieten des Nordens ein Kultur-Sendemonopol hat, ist sein niedriges Kulturniveau auch nicht der Maßstab. Wir wissen, dass es in der ARD mehrere Kultursender wie WDR 3, hr 2, swr 2 und Bayern 4 Klassik gibt, bei denen die Musik- und Kulturliebhaber wirklich „hören und genießen!“ können.
Musik- und Wortsendungen - hören und genießen

2 - Jingle plus NDR-Kultur-Werbespruch - ein Genuss?

Nach einem Jingle aus kurzer künstlicher Musik hämmert uns NDR Kultur jetzt den immer gleichen Werbespruch ein:
„NDR Kultur - hören und genießen!“
„NDR Kultur - hören und genießen!“
„NDR Kultur - hören und genießen!“
Ein für Musik und Kultur aufgeschlossener Hörer zuckt jedes Mal genervt zusammen, das Begleitmedium NDR Kultur wird für ihn zur verbalen Bedrohung. Eine grässliche Störung.
Unser Eindruck: „NDR Kultur - stören und verdrießen“

3 - Aufdringliche Eigenwerbung - ein Genuss?

Vorzugsweise um Viertel nach oder Viertel vor: „der Radiotipp“, „der Hörtipp“, „der Fernsehtipp“, „der Klassikwunsch-Tipp“, „der Kulturtipp“usw., kurz: der NDR-Eigentipp. Selbstverstädlich mit dem Jingle, es ist ja Werbung. Knalhart mit einem Trailer aufgetischt. Andere Sender beschränken sich auf einen Hinweis kurz vor den Nachrichten, NDR Kultur ist da rücksichtslos und tippt immer wieder lautstark auf sich selbst, auch wenn es dem geneigten Hörer schon fünf oder zehn Mal eingeimpft wurde, das Ganze eingepackt in die kühnsten Super-Superlative:
Einer der populärsten Promis der Musikgeschichte - heute Abend auf NDR Kultur!
Einer der populärsten Promis der Musikgeschichte - heute Abend auf NDR Kultur!
Einer der populärsten Promis der Musikgeschichte - heute Abend auf NDR Kultur!
Hält NDR Kultur seine Hörer für so geistesabwesend, dass auch hier so gehämmert werden muss?
Unser Eindruck: „NDR Kultur - nerven und verdrießen“

4 - Gefilterte Kultur- und Kulturpartnerwerbung - ein Genuss?

„Und außerdem“: „Kultur aktuell“, „Kultur im Norden“, „Kartenverlosung“. Kulturtipps zu wenigen, aber immer wiederkehrenden Veranstaltungen, bei denen NDR Kultur und die Veranstalter Kulturpartnerschaften eingegangen sind. Diese werden als „die“ Kultur des Nordens angepriesen. Viele, viele, viele Veranstaltungen fallen so einfach unter den Tisch. Es ist ein Wunder, dass andere Kulturveranstalter gegen diese Einseitigkeit noch nicht juristisch zu Felde gezogen sind.
Unser Eindruck: „NDR Kultur - manipulieren und verdrießen“

5 - Moderationen mit intensiven Werbebotschaften - ein Genuss?

Bei genauerer Betrachtung der Moderationstexte stellt man fest, dass NDR Kultur sie hauptsächlich zu Werbezwecken benutzt: als Hinweis für bestimmte Veranstaltungen, CDs oder bevorzugte Stars der großen Plattenfirmen („Majors“) oder als Vorankündigung des nächsten eigenen Wortbeitrags („Teaser“), mit dem die nachfolgende Musik wiederum gar nichts zu tun hat.
Unser Eindruck: „NDR Kultur - schleichwerben und verdrießen“

6 - Moderationen mit musikalischer Einfältigkeit - ein Genuss?

Die Moderationstexte zur Musik gibt es nur, weil es zum guten Ton eines Kultursenders gehört. Sie sind aber beiläufig, nebensächlich, belanglos, beliebig, ja oft genug auch falsch. Im Widerspruch zu der Absicht von Berlioz, Harold verschiedenartig musikalisch zu charakterisieren, gibt NDR Kultur für die Sinfonie „Harold in Italien“ als „roten Faden“ an, dass „irgendjemand irgendwo ist“. Nach der zu „gewaltigen“ und zu „monumentalen“ „Eroica“ habe Beethoven bei der Komposition seiner vierten Sinfonie „einen Gang zurückgeschaltet“ usw. usf. Und wenn den Moderatoren musikalisch nichts mehr einfält, bedienen sie plump die Themen: Essen und Musik oder Wetter und Musik.
Unser Eindruck: „NDR Kultur - verdummen und verdrießen“

7 - Wortfragmente - ein Genuss?

Nachrichten, Morgenandacht, Kulturberichte - alle Wortbeiträge fallen unter das Diktat, dass sie nicht länger als drei Minuten dauern dürfen. Wenn die Beiträge nicht schon selbst Werbebotschaften sind, widersprechen sie als Inhaltsfragmente differenzierter Berichterstattung. Sie fördern die Schablone, das Klischee, das, womit die Sparte „Boulevard“ bedient wird. Zusammen mit den werbenden Elementen davor und danach verbreitet der Sender Hektik. Wo bleibt da der Genuss?
Unser Eindruck: „NDR Kultur - hasten und verdrießen“

8 - Musikfragmente - ein Genuss?

Warum bringt NDR Kultur tagsüber von längeren Werken nur einen Satz? Weil die Hörer nicht länger Musik „hören“ wollen? Das ist eine reine Behauptung der Programmstrategen, für die bisher kein einziger Beweis vorgelegt wurde. Nach unseren Erfahrungen wird diese Meinung von sehr wenigen Hörern geteilt. Wenn NDR Kultur für eine Stunde deutlich mehr als acht Wortelemente verplant (alle in den Thesen 2 bis 7 behandelten Bauteile), dann ist es eine logische Folge, dass ein Musikstück im Durchschnitt nur fünf Minuten dauern darf. Also: Die meisten Kompositionen werden wegen der vielen Wortbeiträge zerstört, neue Hörer lernen vollständige Werke gar nicht mehr durch das Radiohören kennen. Wie wollen Kulturbanausen zur Kultur erziehen? Was kann der Hörer da noch genießen?
Unser Eindruck: „NDR Kultur - zerstückeln und verdrießen“

9 - Musikwiederholungen - ein Genuss?

Wenn schon das Raster der Popsender mit minutengenau eingeplanten kurzen Musikstücken und kurzen Wortbeiträgen benutzt wird („Formatradio“), dann dürfen echte Schlager nicht fehlen. Eine Reihe von Einzelsätzen wird besonders oft wiederholt: der erste Satz des dritten „Brandenburgischen Konzerts“, die Ouvertüre zur „Verkauften Braut“ usw. Immer mehr Musikliebhaber berichten uns, dass sie deswegen diese Sätze schon gar nicht mehr hören mögen. Von Genuss also keine Spur. Viele Hörer wollen Neues entdecken, sei es neue Werke oder neue Interpretationen, das ist für sie Genuss. Es zeigt sich auch immer deutlicher, dass häufiges Wiederholen für die Freunde der klassischen Musik (im weiten Sinne) eine Beleidigung ist: sie fühlen sich gekränkt, nicht ernst genommen.
Unser Eindruck: „NDR Kultur - beleidigen und verdrießen“

10 - Rigorose Verringerung des Musikrepertoires - ein Genuss?

Warum beschränkt sich NDR Kultur auf einen Musikpool von wenigen tausend Einzelsätzen? Dafür gibt es außer dem Hang zur Wiederholung keinen vernünftigen Grund. Das Musikrepertoire ist unerschöpflich. Warum verzichtet der Sender zum Beispiel auf das umfangreiche Material seines Archivs? Bedrängen die CD-Firmen nicht die Radiomacher mit ihren Neuproduktionen? Am verfügbaren Material liegt es überhaupt nicht.
Unser Eindruck: „NDR Kultur - hungern lassen und verdrießen“

11 - Unentwegter Wechsel, kein Zusammenhang - ein Genuss?

Wer hat bloß diesen zwanghaften Wechsel von Musik- und Wortfragmenten für Kultursender erfunden? Und die Beliebigkeit der Reihenfolge der Musikstücke und der Wortbeiträge? Man hat den Eindruck, der Sender will den Hörern auch noch das Denken abgewöhnen. Diese abgehackte Unruhe wird niemandem gerecht: weder dem Hörer, der Musik wirklich genießen will und sich mit durcheinander hingestreuten Brocken nicht zufrieden gibt, noch dem Hörer, der wirklich und nicht nur oberflächlich und nicht nur durch die Brille des NDR am aktuellen Kulturgeschehen teilhaben will.
Unser Eindruck: „NDR Kultur - undurchschaubar wechseln und verdrießen“

12 - Der Werbespruch fordert zum spontanen Widerspruch heraus

Die Reaktion vieler Hörer auf den neuen Spruch lautet: „Nein, das genieße ich nicht.“ Oder: „Das ist ungenießbar.“
Und dann kommt der Werbespruch wieder: „NDR Kultur - hören und genießen!“
Eine Störung zum Genuss erheben? Das ist vielleicht ein Lausbubenstreich.
Ständige Störungen zum Genuss erheben? Das ist ein Systemfehler. Da läuft etwas grundsätzlich verkehrt.
Es ist unentwegte Eigensatire. Und die NDR-Kultur-Programmstrategen merken es noch nicht einmal, so sehr sind sie durch ihre Welt des scheinbar schönen Scheins verblendet...
Unser Eindruck: „NDR Kultur - provozieren und verdrießen“

Wir wünschen dem Werbespruch, dass er für NDR Kultur zum Bumerang wird. Auf Werbung, die nicht glaubwürdig ist, kann vollständig verzichtet werden. Wegen ihrer durchgehenden Falschheit ist die Parole: „NDR Kultur - hören und genießen!“ für Musik- und Kulturliebhaber eine Provokation und für uns eine Radiolüge, die nicht mehr gesendet werden sollte.



Bild: www.krossa.se
 

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