Moderation auf NDR Kultur

Moderationsfloskeln

Von Ludolf Baucke und Theodor Clostermann

9. Juli 2008, 14.42 Uhr: „Jetzt wird es ein bisschen feucht.“

„Es ist jetzt 14.42 Uhr. Jetzt wird es ein bisschen feucht. Es folgt der 5. Satz des Forellenquintetts. [Kurze Pause.] Von Franz Schubert.“

Nach dem Satz wurde nur noch etwas zum zusätzlichen Kontrabass in der Besetzung und zum Trio Fontanay mit seinen weiteren Interpreten gesagt.

20. Juni 2008 zwischen 17 und 17.30 Uhr: „Ab in den Wald!“

Auf das Finale aus Schumanns „Rheinischer“ folgt erst ein Betroffemheitshinweis auf den Tod des Schriftstellers Peter Rühmkorf, dann das Rondo vivace aus Beethovens 4. Klavierkonzert. So weit so gut, aber wenn dann nach dem Musikbeispiel die 1. Gymnopédie von Erik Satie als „Dschümmnopädie“ abgekündigt wurde, fragte sich der irritierte Hörer, mit welcher Moderations-„Dschümmnastik“ NDR Kultur das Ziel von „mehr Qualität“ erreichen will.

Einmal aber bei Fitness und Wellness angekommen, blieb der Moderation wohl keine andere Wahl als: „Jetzt geht's erstmal ab in den Wald!“. Dass damit zu Musik von Georg Friedrich Händel übergeleitet werden sollte, wurde erst nach dem Musikbeispiel mit dem Hinweis auf eine „Forest Music“, gespielt von dem Royal Philharmonic Orchestra London, vermerkt.

Anders als die vorzüglich dokumentierte „Wassermusik“ und die ebenfalls in den Quellen präzis geschilderte „Feuerwerksmusik“ aber bleibt Händels „Forest Music“ im Spekulativen. So vermerkt Band 4 „Dokumente zu Leben und Schaffen“ des der Hallischen Händel-Ausgabe hinzugefügten Händel-Handbuchs auf S. 352 zum 14. August 1742:

„Händel besuchte Mrs. Vernon (Dorothy Grahn) in Clontarf Castle, Cork, von Dublin aus und soll für sie eine ‚Forest Music‘ komponiert haben, nach Schoelcher (1857, 256f.) ‚a little piece for the harpsichord...‘“.

NDR Kultur verschwieg diese Zusammenhänge.

Das Manko einer qualitätsorientierten Information aber wurde noch gesteigert, als nachfolgend der Bericht über die Trauerfeier für Peter Rühmkorf vorangekündigt wurde, obwohl - laut gleichzeitiger Mitteilung (= Versprecher) - der Verstorbene schon beigesetzt worden war.

17. Juni 2008, 18.07 Uhr: „Der Kuckuck war ja deutlich zu hören.“

Nach dem 3-minütigen Satz (siehe NDR-Kultur-Musikliste im Internet)

„Respighi, Ottorino (1879-1936)
Gli uccelli (Orchestersuite), daraus: Prélude (1. Satz)
Academy of St Martin-in-the-Fields, London
Ltg.: Marriner, Neville“

erläutert die Moderatorin bedeutungsvoll:

„Es ist ja bekannt, dass die Italiener die Vögel besonders lieben, so auch Ottorino Respighi in seiner Orchestersuite Gli uccelli, Die Vögel. Der Kuckuck war ja deutlich zu hören. Es spielte...“

Das hatte sie gerade eben auf dem Sende-Fahrplan gelesen, und der Kuckuck war nun als Vogel wirklich nicht zu überhören.

So hat die Moderatorin versäumt zu vermitteln:

· dass Respighi sich vor allem der Musik des Barock und der Renaissance zugewandt hat, deren Musik er z.T. in ein neues Klanggewand goss, um Werke in stilo antico zu schreiben (siehe Wikipedia),
· dass die Themen der ganzen Suite Weisen alter Meister sind und
· dass gerade im Prélude, nach dem Hauptthema von Barnardo Pasquini (1637-1710), die vier Vogelstimmen der folgenden Sätze vorgestellt werden.

Diese Themen basieren auf (siehe „Klassika - Die deutschsprachigen Klassikseiten“):

- La Colomba (Le Pigeon, Die Taube) = Jacques de Gallot (gest. 1685)
- La Gallina (La Poule, Die Henne) = Jean Philippe Rameau (1683-1764)
- L'Usignuolo (Die Nachtigall) = Anonymus (17. Jahrhundert)
- Il Cucù (Le Coucou, Der Kuckuck) = Barnardo Pasquini (1637-1710)

Ist der Kultur- und Bildungsauftrag auch so unbekannt (oder unwichtig)?

zusammengestellt am 13. Juli 2008