Das GANZE Werk - Presseschau

nmz 12/2001

Radio Bremen in Existenznot

Verordnete Krise

Die Umwandlung der bundesweit bekannten Kulturwelle „Radio Bremen zwei“ in das Format eines gesichtslosen „Nordwestradios“ ab 1. November, in Kooperation mit dem NDR, zeigt einen empfindlichen Qualitätsverlust für die Hörerinnen und Hörer im Sendegebiet

Um die gegenwärtige Lage des kleinsten Senders der ARD zu schildern, will ich den Lesern anhand des Beispiels der Hörfunkstelle „Radio Bremen zwei“ jetzt „Nordwestradio“ die Ursachen der Krise erklären.

Um die gegenwärtige Lage des kleinsten Senders der ARD zu schildern, will ich den Lesern anhand des Beispiels der Hörfunkstelle „Radio Bremen zwei“ jetzt „Nordwestradio“ die Ursachen der Krise erklären.Die Ministerpräsidenten der Länder haben 1999 den kleinen Sendern SFB, Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen eine Verminderung des ARD-Finanzausgleichs ab 2006 verordnet und zwar als Kompensation für die einstimmige Zustimmung der Länderchefs zur letzten Gebührenerhöhung. Das bedeutet nun für Radio Bremen eine Kürzung um ein Drittel des jährlichen Etats, also zirka 50 Millionen Mark!

Bis zum Jahr 2006 muss demzufolge Radio Bremen in einem Stufenplan jährlich schmerzhaft Einsparungen an Programm und Personal vornehmen um 2006 den Sender noch bezahlen zu können. Der Druck wurde ausgerechnet von den Ministerpräsidenten Bayerns und Baden-Württembergs ausgeübt, die bis zum Ende der 70er-Jahre Empfänger des Länderfinanzausgleichs waren in den damals auch Bremen als Geber-Land eingezahlt hat. Die radikale Verminderung des ARD-Finanzausgleiches hat zu einem schwerwiegenden Abbau des öffentlich-rechtlichen Auftrages in Bremen geführt. Die Umwandlung der bundesweit bekannten Kulturwelle „Radio Bremen zwei“ in das Format eines gesichtslosen „Nordwestradios“ ab 1. November, in Kooperation mit dem NDR, zeigt einen empfindlichen Qualitätsverlust für die Hörerinnen und Hörer im Sendegebiet. Die mit hoher Erwartung eingegangene Zusammenarbeit mit dem NDR, der sich mit sechs Millionen – die Hälfte der Programmkosten – an dem Gemeinschaftsprogramm beteiligt, erweist sich als grenzenlose Enttäuschung. Über zwölf Stunden Magazinformat im Nordwestradio von 6.00 bis 18.30 Uhr an den Wochentagen sind trotz Berücksichtigung der Unterfinanzierung der Welle handwerklich ein überflüssiges und nicht mehr hörbares Programm geworden. Hier hat sich in den Kooperationsverhandlungen der NDR inhaltlich voll durchgesetzt. Einmal um die lästige Konkurrenz der bekannten Kulturwelle „Radio Bremen zwei“ zum eigenen NDR 3 loszuwerden, zum anderen um eine bisher vom NDR vernachlässigte Region zu versorgen. Das Format umfasst, ohne Originalität, immer wechselnde Teile wie „Musikzeit. Kulturzeit und Nordwestzeit“. Die Musikauswahl, Hauptanteil in allen drei Sequenzen, ist ein seichter Mix ohne Konzept und Ansage der Stücke. Als Alibi gibt es ab und zu wenige Minuten Klassik oder bekannte Titel aus Jazz und Folklore. In den übrigen Bereichen der Kultur und Information sind Verlegenheitsmeldungen, schlecht gemachte Zwei-Minuten-Nachrichten, sowie Interviews mit Landespolitikern und Wiederholungen zu hören.

Die bisherige Machart und die Inhalte des neuen Nordwestradios widersprechen in der vorliegenden Qualität eklatant den genannten Zielen eines Informations- und Kulturradioprogrammes mit einem innovativen Wort- und Musikangebot. Deshalb ein ernstes Wort an die Programmverantwortlichen und Redakteure:

Die Ideologie des Formatradios ist für den anspruchsvollen Hörer und selbst bei den Privaten überholt! Das Publikum in Bremen und der bisher vom Bremer Sender versorgten Region ist verärgert und wehrt sich in der Öffentlichkeit oder schaltet zum Deutschlandfunk und -radio um. Ab 18.30 bis 24.00 Uhr täglich und am Wochenende sind Gott sei Dank die Leiden zu u u Ende, es sind die alten Substanzen des traditionellen „Radio Bremen zwei“ in Wort und Musik zu hören. Diese Abendstrecke ist jedoch hinsichtlich der Finanzmittel katastrophal gekürzt worden. Konzerte und Veranstaltungen, Mitschnitte des interessanten vielseitigen Musik- und Kulturlebens im Land Bremen sind marginal geworden. Internationale Radio-Festivals wie „Pro musica nova“ und „Pro musica antiqua“ wurden so dramatisch finanziell eingeschränkt, dass es ungewiss ist, ob sie noch stattfinden können. Die Hörfunkproduktionsstätten für Klassik und Wort haben nach wie vor hohe Qualität, dazu steht einer der ältesten und akustisch besten Sendesäle zur Verfügung. Diese Möglichkeiten sollten auch mit Partnern genutzt werden. Das Programmvermögen des Senders hat historische und aktuelle Bedeutung und darf nicht in den Archiven schlummern. Ein großes Problem ist durch die Abschaffung der Programmabteilungen und die Bildung neuer Fachredaktionen entstanden. Das Nebeneinander von Wellen- und Fachkompetenz ist kaum geeignet, effektiv zu gestalten. Viele Köche verderben bekanntlich den Brei! Die gegenwärtige Administration des Senders hat zweifellos auf Grund der verordneten Sparzwänge enorme Schwierigkeiten um das „Wie“ zu bewältigen. Es kann aber heute schon festgestellt werden, dass die aus politischen Gründen veranlassten starken Kürzungen, trotz Kooperationen, von Radio Bremen nicht aufgefangen werden können. Deshalb müssen diese von den politischen Kräften auch wieder zurückgenommen werden.

Der erste deutsche Generaldirektor des damaligen NWDR nach dem Zweiten Weltkrieg, Adolf Grimme, hat die Frage nach dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk so beantwortet: Qualität des Programms, Information, Kultur und Unterhaltung, Unabhängigkeit vom Staat. Von Einschaltquoten war nicht die Rede!