Das GANZE Werk - Presseschau

Leserbriefe

Zu dem Bericht: „Reform aus der Dose“ (Programm von NDR Kultur), Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 27. Mai:

Darf nicht elitär sein

Volker Hagedorn hat ein Urteil über NDR Kultur gefällt, das mit der Realität des Programms wenig zu tun hat. Als Kronzeugen für seine Bewertung, die eine ganze Reihe falscher Tatsachenbehauptungen enthält, bemüht Herr Hagedorn die nur 50 Mitglieder umfassende Telemann-Gesellschaft in Hamburg.

Es gibt durchaus Textbeiträge, die wesentlich länger sind als 90 Sekunden. Bestes Beispiel: Hanjo Kestings renommierte Reihe „Am Morgen vorgelesen", anspruchsvolle Literatur eine halbe Stunde lang, Wort pur jeden Tag von 8.30 bis 9 Uhr. Einen vergleichbaren Formatbruch gibt es in keinem anderen Radioprogramm. Völlig aus der Luft gegriffen ist auch die Behauptung, das Musikrepertoire von NDR Kultur enthalte lediglich 1500 Titel. Tatsächlich sind es mehrere tausend. Mit dem Hören des Programms hat sich Herr Hagedorn nicht lange aufgehalten. Leider hat er es auch - entgegen den Regeln des journalistischen Handwerks - nicht für nötig gehalten, mit den Adressaten seiner pauschalen Kritik, mit der Programmchefin Frau Mirow oder mit mir, zu reden. Wir hätten ihn über eine Menge informieren können, z. B. über ausführliche Interviews, die NDR Kultur täglich mit Musikern, Literaten und Publizisten führt, in den vergangenen Wochen unter anderem mit Krzysztof Penderecki, Peter Ruzicka, Frank Schirrmacher oder Urs Widmer. Über 200.000 Menschen in Norddeutschland schalten täglich NDR Kultur ein. Die Kollegen von DeutschlandRadio erreichen nur etwa 50.000 - Beweis dafür, dass eine beträchtliche Zahl von Hörern unser Programm anregend und interessant findet. Ein öffentlich-rechtliches, mit den Gebühren aller finanziertes Kulturangebot darf nicht elitär sein. Es muss versuchen, möglichst viele Hörer zu gewinnen. Das ist mit Programmvorstellungen von vorgestern nicht zu erreichen, es sei denn, man möchte ignorieren, dass sich Hörsituationen und Radionutzung gründlich verändert haben.

Hannover, Gernot Romann, Programmdirektor Hörfunk des NDR

Kultur-Fast-Food vom NDR

Der Beitrag von Volker Hagedorn über das „flach gelegte" Programm von NDR Kultur spricht mir aus dem Herzen. Auch ich war bis vor eineinhalb Jahren engagierter Hörer von Radio 3. Vor allem interessierten mich Musiksendungen tagsüber, aber auch Konzerte abends. Nachdem sich vom Vormittag bis zum frühen Abend das Kulturprogramm zu einem Fast-Food-Laden für E-Musik entwickelt hat, bin ich nur selten dabei. Manche Ohrwürmer konnte ich - der Jüngste bin ich nicht mehr - wegen fehlender Ansage und Verstümmelung zunächst nicht zu ordnen. Solche Schmerzen erspare ich mir jetzt und greife gleich zur CD. Früher gab es ein detailliertes Rundfunkprogramm in Rundfunkzeitschriften und in dem monatlichen Magazin des NDR-Kultur-Klassik-Clubs, nach dem man aus wählen konnte. Obwchl ich versuche, mich der Meckerei des Alters zu enthalten, sage ich hier deutlich: Nicht alles Neue muss unbedingt besser sein.

Wennigsen, Werner Schlüter

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