Das GANZE Werk - Presseschau

Frankfurter Rundschau, 6. Dezember 2004

Machtpolitik wittern SPD, Grüne und Gewerkschaften
hinter Wulffs Vorstoß

Heimatlos im NDR

Wulff will mehr Niedersachsen

Von Peter Mlodoch

Niedersachsens Ministerpräsident vermisst in seinem Heimatsender seine Heimat. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) vernachlässige im TV Folkloreveranstaltungen, Fußballspiele der Regionalligisten Eintracht Braunschweig und VfL Osnabrück oder auch Bürgermeisterwahlen, beklagt sich Christian Wulff. Weil außerdem die Gremien der Vierländeranstalt zu groß, zu unbeweglich und zu teuer seien, müsse der NDR-Staatsvertrag dringend reformiert werden, fordert der CDU-Regierungschef und spricht dabei auch das Wort "Kündigung" ungeniert aus.

Den NDR tragen neben Niedersachsen, wo laut Wulff 60 Prozent der Gebührenzahler leben, die Länder Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Der entsprechende Staatsvertrag läuft bis 2007 und verlängert sich automatisch, wenn er nicht bis Februar 2005 gekündigt wird. Da neue Bestimmungen über Jugendschutz und Online-Aktivitäten auf jeden Fall eingearbeitet werden müssen, erscheint Wulff die Zeit günstig, auf weitere Reformen zu drängen. Anders als bei der Kultusministerkonferenz sei bei den NDR-Partnerländern die Bereitschaft zu Änderungen groß, sagt Wulff nach einem Gespräch mit seinen norddeutschen Amtskollegen in Hannover. "Ich bin sicher, dass wir zu guten Ergebnissen kommen werden."

Der NDR als "Wullfs Beute"

Für den Ministerpräsidenten heißt dies, dass der 58-köpfige Rundfunkrat um etwa ein Drittel abspeckt und dass auch über Tochterfirmen des NDR gesprochen wird. Im Fernsehen müsse Niedersachsen öfter vorkommen. "Der Hessische Rundfunk berichtet den ganzen Tag live über den Tag der Hessen, warum kann das nicht der NDR über den Tag der Niedersachsen?" fragt der Ministerpräsident und wischt Bedenken über die Akzeptanz beim Zuschauer vom Tisch. Kulturelle Sendungen gehörten schließlich zum öffentlich-rechtlichen Auftrag. Gleiches gelte für die Politik. Während der WDR den ganzen Abend über die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen zeige, sei dem NDR der Urnengang in Niedersachsen nur eine kurze Sendung wert.

Machtpolitik wittern SPD, Grüne und Gewerkschaften hinter Wulffs Vorstoß, den mit ähnlichen Argumenten schon CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht Ende der 70er Jahre versucht hatte. "Wulff will sich die Medien zur Beute machen", schimpft SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel.