Das GANZE Werk - Presseschau

Bund und Länder feilen noch an einer überzeugenden Antwort: Anfang nächster Woche - vom 9. Mai an - soll die Stellungnahme Deutschlands zur umstrittenen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Brüssel vorliegen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.04.2005, Nr. 100 / Seite 47

Die EU liege mit der Einschätzung grundsätzlich falsch, die deutsche Rundfunkgebühr sei eine "Beihilfe"

Alles in Butter

Die Sender sollen sich auf ihre Pflichten besinnen und diese schriftlich niederlegen
Die Rundfunkräte sollen nicht mehr hilfreiche Beisitzer, sondern echte Prüfer in den Sendern sein

Von Michael Hanfeld

29. April 2005 Am kommenden Dienstag, 3. Mai, wird die Bundesrepublik Deutschland der EU in Brüssel die rundfunkpolitische Antwort auf alle Fragen geben, welche die Kommission Anfang März zum hiesigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestellt hat. Achtzig bis neunzig Seiten wird das Dokument umfassen, dessen inhaltlicher Zuschnitt sich bereits jetzt abzeichnet: Die Bundesländer, die das Papier formuliert und mit Berlin abgestimmt haben, sind sich darin einig, daß die EU mit der Einschätzung grundsätzlich falsch liegt, die deutsche Rundfunkgebühr sei eine "Beihilfe", mithin ein an sich nicht statthafter staatlicher Eingriff in ein Marktgeschehen.

Sie sind des weiteren, wie aus der Rundfunkkommission der Länder in Mainz zu hören ist, davon überzeugt, daß wesentliche Forderungen der EU bereits jetzt erfüllt sind, durch den am 1. April in Kraft getretenen 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag: Einen genau gefaßten Auftrag der Online-Angebote von ARD und ZDF und vor allem eine finanzielle Deckelung für denselben (0,75 Prozent des jeweiligen Senderetats) gebe es schon, die getrennte Buchführung und klare Abgrenzung zwischen kommerziellen und rein dem Rundfunkauftrag dienenden Aktivitäten sei ebenfalls gefordert.

Pflichten schriftlich niederlegen

Spürbar stärken wollen die Länder jedoch die Gremien in den Sendern und die Kontrolle von außen. So sollen die Landesrechnungshöfe künftig auch alle Tochtergesellschaften von ARD und ZDF überprüfen dürfen. Auch soll die Gebührenkommission KEF mehr Befugnisse erhalten. Die Rundfunkräte sollen nicht mehr hilfreiche Beisitzer, sondern echte Prüfer in den Sendern sein. Und diese selbst werden angehalten, sich auf ihre Pflichten zu besinnen und diese auch schriftlich niederzulegen - manche sprechen von einer Art "Magna Charta", wie es sie beim Deutschlandradio schon gibt, ansatzweise beim ZDF, kaum aber bei der ARD, die statt auf Selbstverpflichtung auf Selbstdarstellung setzt, wenn man die Broschüren betrachtet, welche einige Sender zuletzt verschickt haben. Was sie tun und warum, das sollen ARD und ZDF insbesondere auch bei den Sportrechten erklären, von denen die ARD bekanntermaßen besonders viele besitzt, mehr als sie selber versenden kann.

Nur Bratpfannenverkauf ist kein Rundfunk

Zwei größere Gespräche hat in den vergangenen Wochen eine Vierergruppe der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt mit der EU-Kommission geführt und - wie aus den Ländern zu hören ist - dabei den Eindruck gewonnen, daß es der Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes um pragmatische Schritte, nicht aber eine grundsätzliche Umwertung des dualen Rundfunksystems gehe. Einem solchen Ansinnen stellen sich die Länder, die sich bei ihrer Antwort auch mit ARD und ZDF beraten haben, allein dadurch entgegen, daß sie auf mögliche Maßnahmen, wie sie die EU fordert, nicht eingehen, sondern darlegen, was sie schon tun und noch alles tun wollen, um beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk für mehr Transparenz und für eine Besinnung auf die Frage zu sorgen, was denn die ureigene Aufgabe desselben heute ist.

Ob sie damit soweit sind, wie die Fragen der EU nach dem Sinn und dem Ausmaß vor allem der Online-Angebote reichen, ist allerdings die Frage. Heißt es bei den Ländern doch, daß der Begriff "Rundfunk" nur "technikneutral" zu verstehen und also auszudehnen sei: Will heißen, wo Sendungen von ARD und ZDF rauskommen, da ist Rundfunk drin - im Radio, Fernsehen, Computer oder sogar dem Handy und auf digitalem Übertragungsweg. Das macht vieles möglich, die Bratpfannenverkäufe und Datingenturen, zu denen man heute über öffentlich-rechtliche Angebote im Netz vorstoßen kann, dürften damit aber ausgeschlossen sein. Auch dürfte es künftig schwerer werden, an den Aufsichtsgremien vorbei einen Geheimvertrag wie zuletzt den mit Harald Schmidt über die ARD-Tochtergesellschaft Degeto fürs erste Fernsehprogramm abzuschließen.

Die Debatte mit Brüssel hat erst begonnen

Das alles sind Dinge, über welche die Länder auf Fachebene, mit Rundfunkreferenten und Staatskanzleichefs, seit langem gesprochen haben. Und es ist nicht ganz falsch zu sagen, daß mit dem Vorstoß der drei Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen im Herbst 2003, ARD und ZDF an die Finanzen zu gehen, eine Debatte verschüttet und dafür eine andere aufgebaut wurde, in der es allein um die Höhe der Rundfunkgebühren ging. Wobei nach wie vor gilt, daß die Sender genau diese Debatte heraufbeschworen und sich von denen entfernt haben, in deren Auftrag sie senden. Um es vorsichtig zu sagen.

"ARD und ZDF müssen ihre Haltung gewaltig ändern", heißt es aus Länderkreisen. Das Erstaunliche ist, daß die Länder sich in dieser Haltung genauso einig zu sein scheinen wie bei der Zurückweisung weitergehender Regelungswünsche aus Brüssel. Die Schlacht um die Gebühren, so scheint es, ist geschlagen und von gestern - so nicht einige Intendanten die Kiste der Pandora öffnen und gegen die neue Gebühr klagen. Die Debatte mit Brüssel aber hat erst begonnen. Bis Ende des Jahres, heißt es bei den Ländern, würden die Gespräche mit der EU wohl noch dauern, dann könne das Verfahren zu Ende sein, für das man sich gut gerüstet dünkt. Vielleicht treten wir dann ja in der Tat in eine konstruktivere Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein, wie es sie, aus der Ferne betrachtet, um die BBC in Großbritannien schon gibt.