Das GANZE Werk - Presseschau

Handelsblatt, 9. Mai 2005

Mehr Rechte für Kontrollgremien von ARD und ZDF

Bundesländer zwingen Sender zur Transparenz

Wahrscheinlich bis Ende 2005 soll der Rundfunkstaatsvertrag geändert werden

Von Michael Scheerer, Handelsblatt

Die Bundesländer wollen ARD und ZDF neue, strengere Transparenzregeln aufzwingen. Dies geht aus einem Schreiben der Bundesregierung an EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hervor. In der Mitteilung, die dem Handelsblatt vorliegt, kündigen die Bundesländer an, die staatlichen Kontrollorgane für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland erheblich stärken zu wollen. Zu diesem Zweck soll – wahrscheinlich bis Ende 2005 – der Rundfunkstaatsvertrag geändert werden.

HB BRÜSSEL. Die Brüsseler Wettbewerbshüter hatten die Länder im März aufgefordert, klarer als bisher zwischen öffentlich-rechtlichem Auftrag und kommerzieller Geschäftspolitik der Sendeanstalten zu trennen. Brüssel hat ARD und ZDF im Verdacht, die GEZ-Gebühren für kommerzielle Sparten wie Internet-Dienste oder den Erwerb von Sportrechten zu missbrauchen. Die Sendeanstalten selbst hatten bislang lediglich zugesagt, einen – rechtlich nicht verbindlichen – Verhaltenskodex für mehr Transparenz einzuführen.

Die nun von den Ländern angekündigte gesetzliche Verankerung neuer Kontrollrechte geht darüber weit hinaus. So soll die unabhängige Gebührenkommission KEF ermächtigt werden, die Finanzströme der privaten Tochtergesellschaften von ARD und ZDF zu überprüfen. Auch die Verwaltungsräte und Rechnungshöfe können nach den Plänen der Länder bei den Tochterunternehmen künftig intensiver als bisher in die Bücher schauen. „Die Investitionsrückflüsse der kommerziellen Töchter werden exakt nachzuvollziehen sein“, heißt es aus einer Staatskanzlei.

Damit dürften lukrative Geheimverträge wie der zwischen dem Entertainer Harald Schmidt und der ARD-Filmhandelstochter Degeto der Vergangenheit angehören. Die Vereinbarung zwischen Schmidt und der ARD hatte bei Rundfunkpolitikern für viel Unmut gesorgt. Denn dank der Konstruktion über die private ARD-Tochter musste der millionenschwere Deal nicht wie sonst üblich von den Kontrollgremien abgesegnet werden. Auch der Rechnungshof darf den Vertrag für Schmidts neue, seit Dezember 2004 in der ARD laufende Satire-Show nach derzeitiger Rechtslage nicht kontrollieren. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte die undurchsichtige Vorgehensweise der ARD kritisiert und mehr Prüfrechte für den Rechnungshof und die Rundfunkgremien gefordert.

Die Zusage schärferer, gesetzlich verankerter Transparenzregeln dürfte den seit Jahren schwelenden Streit zwischen Deutschland und der EU um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entschärfen. Allerdings bleiben die Länder bei ihrer Grundsatzhaltung, wonach die deutschen Rundfunkgebühren keine Beihilfe darstellen. Diese Auffassung sei „nicht akzeptabel“, hieß es am Wochenende aus Kommissionskreisen. Der Beihilfecharakter öffentlicher Rundfunkgebühren sei durch die „gängige Entscheidungspraxis“ der Brüsseler Wettbewerbsbehörde längst akzeptiert. Offiziell will sich die Kommission zu dem 77 Seiten umfassenden Schreiben noch nicht äußern.

Die Kommission wirft ARD und ZDF unter anderem vor, in den letzten Jahren aggressiv Exklusivrechte für Sportübertragungen erworben zu haben. Da diese gar nicht alle genutzt werden, liege eine beihilferechtliche „Überkompensation“ von Subventionen vor. Eingriffe in die Einkaufspolitik bei TV-Rechten lehnen die Länder jedoch ebenso ab wie gravierende Beschneidungen ihrer mobilen Dienste.

Es gebe keine Anhaltspunkte für Marktverzerrungen, heißt es in dem Schreiben. Zudem seien die Aufwendungen für den Online-Bereich der öffentlich-rechtlichen Anstalten minimal. Bei der ARD beispielsweise betrage er lediglich 0,75 Prozent der Gesamtausgaben. Die Anstalten fürchten, vom Wachstum der neuen Online-Angebote abgekoppelt zu werden.

Lesen Sie den vollständigen Brief der Bundesregierung:

Mitteilung der Bundesregierung an die Europäische Kommission
Berlin, 06. Mai 2005
Staatliche Beihilfen E 3/2005
Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – Deutschland
Dokumentation der Bundesregierung, ohne Inhaltsverzeichnis (292 kb)