Das GANZE Werk - Presseschau (Dokumentation)

Tagesspiegel, 11. August 2005

Der Musikchef wollte am 30. Mai mit einem Zitat aus einer Rede von Joseph Goebbels über die Aufgaben des Rundfunks auf Hörerfang gehen

RBB-Kulturradio: Goebbels-Zitat mit Folgen

Ein Redakteur des Kulturradios schrieb einen erregten Brief an
3 Intendanten, allerdings unter dem Namen des freien Mitarbeiters M. in den USA

Von Joachim Huber

Mit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels war und ist keinesfalls zu spaßen. Christian Detig, der Musikchef des RBB-Kulturradios, wollte jedenfalls am 30. Mai mit einem Zitat aus einer Rede von Joseph Goebbels über die Aufgaben des Rundfunks auf Hörerfang gehen. Goebbels plädiert darin für „Entspannung und Unterhaltung“ und stellt sich gegen jene, die „nur von Kant und Hegel ernährt werden wollen“. Dann O-Ton Detig: „Zitatende, und ich behaupte mal, das könnte so ohne große Abstriche jeder ARD-Intendant auch unterschreiben, ich übrigens auch. Ich lass' es aber lieber, denn dieses Zitat stammt von – bitte anschnallen – Joseph Goebbels. (...) Das Leben von Joseph Goebbels ist jetzt Theater geworden und zwar im Deutschen Theater. Die Frühkritik um 7 Uhr 45.“

Detigs Anmoderation beschäftigte die Redaktion und die Leitung des Kulturradios intensiv. Die Reaktionen waren sehr gespalten, nach mehreren Gesprächsrunden wurde festgestellt, dass derartige Zitate und Bezüge nicht der Weg zur geglückten Moderation sein können.

Einen Redakteur des Kulturradios ließ der Vorgang nicht ruhen. Redakteur D. (nicht Detig!) schrieb einen erregten Brief an RBB-Intendantin Dagmar Reim, WDR-Chef Fritz Pleitgen und NDR-Intendant Jobst Plog. Allerdings nicht unter seinem Namen, sondern unter dem Namen des freien Kulturradio-Mitarbeiters M., der mittlerweile in den USA lebt. Weil M. vor Jahren für Kulturredakteur D. gearbeitet hatte, fiel der Verdacht auf D. Erst leugnete der seine Autorenschaft, um sie dann einzugestehen. Der Redakteur, 15 Jahre unbescholten im SFB und dann im RBB tätig, sagte in Gesprächen mit der Senderspitze, er habe einen „Aussetzer“ gehabt. Der RBB reagierte, indem D. seine fristlose Kündigung erhielt. Der Gang vors Arbeitsgericht ist wahrscheinlich.

RBB-Sprecher Ulrich Anschütz spricht von einem „Personalvorgang“, über dessen Einzelheiten er sich nicht äußern möchte. „Es kann keine Rede davon sein, dass es einen Gesprächsnotstand gab. Nach der Moderation ist es in der Redaktion zu ausführlichen kontroversen Aussprachen gekommen. Nach der Kündigung haben die Hörfunkdirektorin, der Wellenchef und der Personalchef alle Mitarbeiter des Kulturradios offen und mit allen Hintergründen über den Vorgang informiert.“