Das GANZE Werk - Dokumentation

Das Erste – beckmann, ARD, 20. März 2006, 22.45 Uhr

Beckmann zu Blüm: ... ist es ja beschrieben, dass die Rente in der Form nicht mehr finanzierbar ist, weil [weit ausholendes Gestikulieren] durch die Überalterung der Gesellschaft oben ganz, ganz Viele sind und unten ganz, ganz Wenige, die das finanzieren können.

Moderation: Reinhold Beckmann
Produktion: Cinecentrum im Auftrag von Beckground TV
Redaktion: Cinecentrum und NDR

Transkript:

Interview Reinhold Beckmann mit Norbert Blüm

Mitdiskutierender Gast: Nina Ruge
Weitere Gäste: Karl Moik, André Rieux

Transskript des Gesprächs speichern/drucken (Pdf)

Beachten Sie bitte besonders:
• die Zeilen 116 - 122 (Reinhold Beckmann)
• sowie die Zeilen 131 + 132 und 138 - 140 (Nina Ruge)
• vgl. dazu auch ein in der Sendung ausgelassenes und auf der ARD-Internet-Seite dokumentiertes Zitat von Norbert Blüm zu den Zahlungen aus dem Bundeshaushalt für frühere versicherungsfremde Leistungen, das im Anhang des Dokuments steht

Beckmann: ...dass er heute hier ist. Dr. Norbert Blüm.

Blüm: Vorsicht, ich bin auf dem Kriegspfad.

Beckmann: Ja, ich merke das. Das Gift, das Adrenalin, schießt nur so 'rüber.

Blüm: Von wegen, sechzehn Jahre gepennt...

(...)

Beckmann: Die Bild-Zeitung lieben Sie inzwischen ganz besonders, ja? Was ist denn da los? Ich mein', das sind ja Ihre Freunde früher gewesen!

Blüm: Ja, für mich ist das nicht... das ist nicht das Blatt des „Kleinen Mannes“, sondern das Organ des großen Geldes, um es gleich mal grob zu sagen. (...)

Beckmann: Kommen wir zur Bild-Zeitung später. Geben wir noch mal das Foto, das wir eben gesehen haben. [Blüm vor 20 Jahren an der Litfaß-Säule beim Kleben eines Plakats: „Die Renten sind sicher“].

Blüm: Gehn wir erst mal... die erste Behauptung...

Beckmann: [unterbricht] Moment, darf ich eine Frage stellen? Dieses Foto ist zwanzig Jahre alt, aber jetzt wieder in allen Zeitungen natürlich zu finden, denn eins ist „sischer“, wie Sie damals gesagt haben - die Rente. Dieser Satz gilt heute fast als Inbegriff der Volkstäuschung. Würden Sie ihn heute noch mal so sagen, oder tut er Ihnen leid?

Blüm: Das ist das... ich will ihn so sagen, wie ich ihn damals auch gesagt habe: Es gibt nichts Sichereres als unser Rentensystem. Allerdings hab' ich keine Riester-Rente gemacht, die die Sache verunsichert hat, ich habe auch nicht die Rücklage zurück genommen auf ein Fünftel der Monatsausgabe, das ist... wenn Sie das Thermostat falsch einstellen - zu niedrig einstellen - dann wird's im Zimmer kalt; da ist aber die Heizung nicht dran schuld, sondern das Thermostat. Und wenn man sagt, die Rentenbeiträge dürfen nie höher sein wie zwanzig Prozent, dann stürzen die Renten ab, und was soll denn die Lösung sein? Die Lösung soll sein: Versichert euch privat. Da bin ich auch dafür. Nur, die Privatversicherung kann die Rentenversicherung nicht ersetzen, das...

Beckmann: [unterbricht] Gehen wir Stück für Stück durch, damit der Zuschauer es auch versteht. Wir haben eine veränderte Situation. [betont langsam und untermalt mit weit ausholender Gestik] Also, alle fragen sich, warum wussten unsere Politiker damals nicht, dass die Demographie eine andere sein wird, also die Überalterung der Gesellschaft, der Geburtenrückgang aufgrund der Babypille, und alles, was dazu kam. Die Politiker hätten doch wissen müssen, dass es demographisch darauf hinaus läuft, dass die Renten irgendwann nicht mehr finanzierbar sind. Was sagen Sie dazu?

Blüm: Ja, bleiben wir bei dem Thema. Ich war kaum im Amt, als ich bereits reagiert habe. Die Marktplätze waren voll mit Demonstranten, wir haben den Krankenversicherungsbeitrag der Rentner eingeführt, wir haben die nettolohnbezogene Rente, das war die erste demographische Antwort, Herr Beckmann, falls es Ihnen entgangen ist.

Beckmann: Ich höre Ihnen weiter sehr gern zu...

Blüm: Ich bitte: Ganz langsam zum Mitschreiben. Die Netto... umkämpfte Nettolohnrente funktioniert so: Wenn der Beitrag der Jungen steigt, dann sinkt die Rentenanpassung. Das ist ein... auch eine demographische Antwort. Wenn aus demographischen Gründen der Beitrag steigt - aus Gründen auch der Arbeitslosigkeit - dann können die Rentner nicht mehr die gleichen Rentenerhöhungen haben wie früher. Wir haben die beitragsfreie Zeit reduziert, wir haben eine demographische Formel eingeführt, und, Herr Beckmann, selbst wenn die doppelte Anzahl von Kindern geboren wird, Sie und ich, wir wünschen uns das alle [lächelt]... ich finde eine Gesellschaft mit Kindern viel schöner, nicht nur aus Rentengründen. [laut] Selbst wenn die doppelte Anzahl von Kindern geboren wird, die Kinder aber keine Arbeit hätten, wäre gar nichts gewonnen. Wenn Kinderzahl die Rente retten würde, müssten sie in Indien eine hervorragende Alterssicherung haben. Afrika müsste ja eine glänzende Rentenversicherung haben...

Beckmann: [unterbricht] Sie müssten Arbeit haben...

Blüm: Also ist das das Hauptthema. Und was...

Beckmann: [Einwurf] Beides.

Blüm: Und was gibt die Privatversicherung da für eine Antwort? Die soll ja der Retter sein. Hören Sie mal, die hat für den Arbeitslosen überhaupt nix. Der hat nämlich keinen Beitrag. Der geht leer aus. Für den Erwerbsunfähigen, der mit dreißig Jahren erwerbsunfähig wird, der schaut in die Röhre, bei der Privatversicherung. In der Rentenversicherung wird er behandelt, als hätte er weiter Beitrag gezahlt. Ich sage nicht, dass Privatversicherung als Ergänzung [lässt ein zweites „nicht“ aus] gut wäre. Aber ersetzen kann sie unsere Rentenversicherung nicht, und ich behaupte, dass die Rentenversicherung deshalb so madig gemacht wird, damit das Geld in der Kasse der Privatversicherung besser klingelt. Allianz ist der Gewinner der Bild-Kampagne. Und die Bild arbeitet ja auch mit Allianz zusammen...

Beckmann: [unterbricht] Das heißt, Sie sprechen in jedem Fall von einer Kampagne.

Blüm: Von einer Kampagne.

Beckmann: Die gestartet wird, um die Privatversicherung auf die Art und Weise zu fördern...

Blüm: [Einwurf] Durchgehend. Je mehr ihr die Rentenversicherung kaputt redet... wir sind ja insoweit... die wissen ja gar nicht, was die anrichten, die wissen gar nicht... jetzt... ja, mal langsam!

Beckmann: [versucht zu unterbrechen]

Blüm: Die wissen ja gar nicht, was sie anrichten. Das bringt mich deshalb so hoch: Ich kenne nämlich viele ältere Leute, die meinen, morgen wird die Rente nicht mehr bezahlt, die meinen, die wär' zahlungsunfähig...

Beckmann: [Einwurf] Völlig große Verunsicherung...

Blüm: ... und ich war ja 'neunundachtzig, ich war ja 'neunzig, als auch diese Plakate, auf die Sie sich berufen... ich war in der damals, der endenden DDR. Wissen Sie, was die Hauptsorge der älteren Generation war? Dass sie noch eine Rente bekommt. Die sind vom Adolf betrogen worden, vom Honecker, und jetzt haben die Angst gehabt, dass sie in dem vereinten Deutschland keine Rente mehr bekommen. Um auch denen Vertrauenswerbung zu machen, ohne, dass ich die Probleme wegrede ... rede ich nicht weg...

Beckmann: Dann lassen Sie uns mal anfangen, über die Probleme zu reden.

Blüm: [Einwurf] Bitte.

Beckmann: Herr Doktor Blüm, Nullrunden seit 2004, die Nullrunden hören nicht auf. Die Inflation wächst und wächst. Also: Können Sie verstehen, dass die Rentner natürlich verunsichert sind, dass sie Angst haben, dass die Rente nicht mehr so stabil ist, wie sie mal war?

Blüm: Ja, und wenn das so stimmt, unser System, wie es angelegt ist, dass Jung und Alt in einem Boot sitzen: Wenn die Löhne nicht steigen, dann steigen die Renten auch nicht. Nur - so, wie es die Bild-Zeitung gemacht hat, bleiben wir bei der. Die hat gerechnet, für die nächsten dreißig Jahre...

Beckmann: [unterbricht] Nee, ich möchte, dass...

Blüm: [ungehalten] Ja, doch!...

Beckmann: ... Sie auf meine Frage antworten, und nicht irgendwie die Bild-Zeitung - die legen wir jetzt erst mal beiseite...

Blüm: [unterbricht] Ja, doch, das ist... woll'n wir jetzt mal Aufklärung betreiben, wo soll ich das denn sonst machen? - Zwei Prozent Preissteigerung rechnen die den Leuten vor. Dreißig Jahre, jedes Jahr zwei Prozent. Und gleichzeitig ein Prozent [Steigerung der] Löhne. Wenn das eintritt, dass die Löhne ein Prozent steigen und die realen Einkommen sinken, weil die Preise höher [steigen]. Dann wird...

Beckmann: [unterbricht] Wem erzählen Sie das?

Blüm: Ja, ich schätze jetzt, allen. Das kann man gar nicht genug erzählen. Dann ist nicht nur die Rente gefährdet, dann ist die Bild-Zeitung auch gefährdet. Dann gibt's nämlich niemanden mehr, der die Bild-Zeitung kaufen kann.

Beckmann: [unterbricht] Herr... also... jetzt müssen wir erst mal eins klarstellen... Herr Doktor Blüm, es ist doch nicht nur die Bild-Zeitung, es ist eine Sorge, die sich bei allen breit macht...

Blüm: [Einwürfe] Später ... Jawohl ... Richtig ... Ich versteh' die Sorgen.

Beckmann: Ich weiß, Sie haben jetzt Ihr persönliches Feindbild mit der Bild-Zeitung gefunden...

Blüm: [Einwurf] Nein, gar nicht!

Beckmann (Zeilen 116 - 122): ...lasst uns bitte allgemein darüber reden - es ist doch ein Gefühl, das überall zu spüren ist. Und aufgrund der demographischen Entwicklung, die Frank Schirrmacher vor anderthalb, zwei Jahren beschrieben hat in seinem Buch: „Das Methusalem-Komplott“, ist es ja beschrieben, dass die Rente in der Form nicht mehr finanzierbar ist, weil [weit ausholendes Gestikulieren] durch die Überalterung der Gesellschaft oben ganz, ganz Viele sind und unten ganz, ganz Wenige, die das finanzieren können. Glauben Sie noch weiter, dass das finanzierbar ist?

Blüm: Und sagen Sie mir, welches System anstelle unserer Rentenversicherung das...

Beckmann: [unterbricht] Das war nicht die Frage.

Blüm: Doch. Es ist ja nicht damit zu tun, zu sagen, ja, ja, die Rente kann's nicht zahlen - wer soll's denn zahlen? Die Privatversicherung ist genau so abhängig von der demograph...

Ruge: [unterbricht] Aber das würd' mich jetzt echt interessieren, die Antwort auf seine Frage. Glauben Sie tatsächlich, dass das finanzierbar ist, das System jetzt?

Blüm: Ja. Ja...

Ruge (Zeilen 131 + 132): [dreht sich zu Beckmann] Wie viel Milliarden hat der Bund jetzt schon letztes Jahr dazu geschossen?

Beckmann: Zugebuttert laufend in den letzten Jahren. jetzt verhält sich der Beitrag von 19,4 auf 19,9...

Blüm: Das will ich auch Ihnen erklären. Dieser Bundeszuschuss ist Abgeltung der versicherungsfremden Leistungen. Die Rentenversicherung zahlt nämlich Leistung, die gar nicht ihr Aufgabengebiet ist. Insofern entgeltet der Bund...

Ruge (Zeilen 138 - 140): [unterbricht] Fein, aber die Milliarde ist gezahlt worden. Und das wird jedes Jahr mehr. Ich bitte Sie, also so lässt sich alles locker finanzieren. Es ist nur... ich bin genau so neugierig wie Sie...

Blüm, Beckmann: [Einwürfe] Ja, Sie müssen doch... Ja, und wohin...

Beckmann: Herr Doktor Blüm, wo soll das Geld herkommen? Es kann demographisch nicht funktionieren. Sollen die Beiträge über zwanzig Prozent?

Blüm: [Einwürfe] Ja... Ja...

Beckmann: Über zwanzig Prozent?

Blüm: Ja, natürlich...

Beckmann: [aufgebracht] Warum denn das? Wer soll das alles bezahlen? Lohnnebenkosten schießen wieder nach oben, macht die Arbeit in Deutschland unattraktiv wie sonstwas...

Blüm: [unterbricht] Herr Beckmann... Herr Beck... Also es gibt keinen...

Ruge: [unterbricht] Erzählen Sie das mal den Fünfundzwanzigjährigen...

Blüm: Ja, ich will's ja gerade sogar Fünfzigjährigen erklären. Wenn Arbeitslosigkeit ist, dann gibt's kein System der Welt, das das in Null auflösen kann. Und so wird auch denen - wenn Sie sagen, zwanzig Prozent ist das Höchste, heißt ja die Empfehlung - wenn du dann Renteneinkünfte brauchst, musst [du] dich privat zusatzversichern. [zu Ruge] Jetzt erzählen Sie mir mal, wo die Verkäuferin, mit tausend Euro vielleicht, wie die vier Prozent abzweigen kann. Die sagen dauernd, und das regt mich so auf, zwanzig Prozent ist das Höchste. Aber was man dann privat ersatzweise bezahlen soll, wird doch nicht vom lieben Gott bezahlt. Und das ist teurer als die Rentenversicherung. Denn fünfundzwanzig Prozent, zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Prozent der Privatversicherung sind schon mal Verwaltungskosten. Bei der Rentenversicherung sind's eins komma fünf. Sie müssen die ganzen Drückerkompanien ja mitbezahlen. Sie müssen die Aktionäre bezahlen. Und wenn... das ist ja vom Kapital abhängig. Sehen Sie sich mal den internationalen Kapitalmarkt an. Auf dem deutschen Kapitalmarkt sind in achtzehn Monaten sechshundert Milliarden durch den Kamin gerauscht. Vernichtet. Können Sie sich vorstellen, in der Rentenversicherung wären sechshundert Millionen... sechshundert Milliarden, drei Jahresausgaben, vernichtet worden?

Ruge: Schauen Sie sich doch einfach mal in den USA an, die großen Pensionsfonds...

Blüm: [Einwurf] Sind alle am Wackeln.

Ruge: ... sind alle kapitalgestützt, sind überhaupt nicht alle am Wackeln...

Blüm: Von hundert... Da hab' ich Zahlen. [auf Geste von Ruge] Die sind schon verlässlich. Von hunderteinunddreißigtausend Pensionsfonds der Vereinigten Staaten haben gerade mal sechsunddreißigtausend überlebt. Der letzte, der wackelt, ist gerade der Pensionsfonds von General Motors. Die können weltweit...

Ruge: [Einwurf] Das hat aber andere Ursachen...

Blüm: Ja, wie auch immer - da verlassen sich die Leute drauf!

Beckmann: Lasst uns doch...

Blüm: Zahlungsunfähig! Die Rente ist gezahlt worden bei Währungsreform, im Krieg, bei Inflation...

Beckmann: [unterbricht] Das will auch keiner bezweifeln. Das will keiner bezweifeln. Lassen Sie mich doch...

Blüm: Arbeit ist das Thema.

Beckmann: Jaaa, aber lassen Sie mich über die deutsche Situation sprechen. Wenn also die Schwierigkeit, und das hat Müntefering ja jetzt erklärt bei der Vorstellung des Rentenberichts, den er jetzt geliefert hat, wenn also die Finanzierung der Rente so nicht gesichert ist, ist ja die Aufforderung gegeben von der Bundesregierung, dass die Menschen sich zusätzlich privat eine Absicherung besorgen sollen...

Blüm: [Einwurf] Das kostet auch Geld!

Beckmann: ... So, warum sprechen Sie so dagegen, dass die Bundesregierung hier ein klares Wort spricht und sagt, es wird in Zukunft nicht mehr gewährleistet sein, dass die staatliche Rente...

Blüm: [unterbricht und greift sich an den Kopf] Ich versteh' die Logik nicht, Herr Beckmann. Sie sagen, sie sollen sich privat versichern, das kostet ja Geld...

Beckmann: [Einwurf] Zusätzlich.

Blüm: ...aber über zwanzig Prozent darf nicht bezahlt werden. Ich sage... das kostet doch beides Geld! Und wenn Sie sagen, Arbeitgeber... angenommen, wir würden mal den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung, das sind insgesamt zwanzig Prozent, den würde man wegfallen lassen...

Beckmann: War denn die Äußerung von Müntefering unverantwortlich, ist er auch ein Handlanger der Privatversicherer?

Blüm: Nein, das ist... das System fährt man wider die Wand, wenn man mit Höchstgrenzen arbeitet. Sicherlich, das hab' ich ja auch verlangt, die Renten steigen nicht mehr so, und wenn es Nullrunden bei den Löhnen gibt, gibt es auch Nullrunden bei den Rentnern. Ich würde bei den Löhnen allerdings auch nicht, wie bei der Rente, nicht vergessen, dass Löhne nicht nur Kosten sind, sondern auch Kaufkraft. Und wenn die Leute kein Geld mehr haben, was zu kaufen, dann nützt Ihnen die ganze Reform nichts. Wir haben inzwischen eine Volkswirtschaft, wo die Leute so in Angst und Schrecken versetzt wurden - selbst die Rentner, die Geld haben, geben kein Geld mehr aus, weil sie Angst haben.

Beckmann: Wenn man Ihre Position sieht - in der CDU sind ja keine Geißlers, keine Blüms mehr zu finden, in der SPD fast auch nicht, was Sie jetzt sagen, Löhne rauf, Rentenbeiträge rauf, alles rauf, das klingt ja fast...

Blüm: [unterbricht] Alles rauf, das hab' ich ja gar nicht...

Beckmann: Doch, so ähnlich haben Sie eben formuliert, das klingt ja fast wie Lafo...

Blüm: Nein, ich habe so...

Beckmann: Das klingt ja fast wie Lafontaine!

Blüm: Ja, wo er recht hat, hat er recht. Ich hab' ja nicht gesagt.. [Lachen von Ruge] ... ich hab' ja nicht gesagt, hoch, hoch und immer hoch...ich mein', ich hab' ja Reformen gemacht, und zwar mehr als alle meine Nachfolger, das nur mal nebenbei. Die Renten wären 2030 dreißig Prozent höher ohne die Reformen, die ich gemacht habe. Wir haben den Rentnern, offenbar unter Ausschluss der Öffentlichkeit, viele Opfer zugemutet. Freilich auch den Jungen. Und ich sage nicht: Beiträge auf Teufel komm 'raus. Nur - Sie dürfen das nicht so festschreiben, weil Sie ja dann von den Leuten verlangen, dass das, was die Rentenversicherung nicht leistet, sollte dann die Privatversicherung leisten. Diese Privatversicherung - soll ich's noch mal sagen? - kostet Geld. Und zwar mehr Geld - und ist unsicherer. Von sechsunddreißig Lebensversicherungen sechsundachtzig...

Beckmann: [unterbricht] Ja, ja... das wissen wir ja jetzt, das...

Blüm: (...) von sechsundachtzig Lebensversicherungen haben in Deutschland sechsunddreißig den Stress-Test nicht bestanden.

Beckmann: Den Stress-Test.

Blüm: Den Stress, Sie... also, mit anderen Worten, die sind in Gefahr, wenn die Situation... - haben Sie da in irgend einer Zeitung was davon gelesen?

Beckmann: Doch. Les' ich was davon...

Blüm: Das muss aber 'ne Geheimzeitung sein.

Beckmann: Ninneinneinnein.

(...)

Beckmann: Wie gut sind Sie eigentlich versorgt? (...) Lange Abgeordneter, sechzehn Jahre Minister...

Blüm: Ich bin kein Rentenfall, der hier klagen müsste. Ich mein', Sie brauchen das Thema auch nicht zu privatisieren. Es geht nicht um Norbert. Ich hab nicht... ich reg' mich hier nicht auf, wegen... weil ich betroffen bin. Ich rege mich...

Beckmann: [Einwurf] Haben Sie eine Privatversicherung noch zusätzlich angelegt?

Blüm: Nö, hab' ich nicht. Ich würd' noch mal sagen: Ich hab' gar nichts gegen Privatversicherung. Als Ergänzung, als Spielbein. Ich hab' nur etwas dagegen, die Privatversicherung sozusagen zum Lebensretter der Alterssicherung zu machen. Das ist sie nicht für Arbeitslose, die haben kein Geld, das ist sie nicht für Geringverdienende, das ist sie nicht für Kranke, das ist sie nicht für Erwerbsunfähige, und für die brauchen wir unsere gute, alte Rentenversicherung - und die lass' ich mir von niemandem, noch nicht einmal heut' abend, kaputt machen [lacht].

Beckmann: Und dies ist ein brillantes, ausgleichendes, fast harmonisches Schlusswort. Herr Doktor Blüm, ich bedanke mich für das Gespräch, ich bedanke mich für den Besuch, und ich merke, Sie sind mit viel Adrenalin unterwegs, um sich zu wehren gegen all die Vorwürfe, die da auf Sie niederprallen im Moment. (...)

Beckmann: Abmoderation, Ankündigung der nächsten Sendung.

Die Abschrift ist von der ARD nicht autorisiert, entspricht jedoch der Sendung.
Quelle (2006): Video-Film auf der Internet-Seite DasErste.de zu dieser Sendung http://www.daserste.de/beckmann/sendung_dyn~uid,vdk821y3n12tr4mwgno4w6k9~cm.asp (Schaltung war bei: Das Gespräch mit Norbert Blüm)

Auf dieser Internet-Seite stand auch ein in der Sendung ausgelassenes und auf der ARD-Internet-Seite dokumentiertes Zitat von Norbert Blüm zu den Zahlungen aus dem Bundeshaushalt für frühere versicherungsfremde Leistungen:

„Die private Vorsorge wird ja nicht vom lieben Gott bezahlt – das kostet ja beides Geld. Vor ein paar Jahren waren zehn Lebensversicherungen in Gefahr, zahlungsunfähig zu werden. Da ist der Bund mit Steuergeldern eingesprungen. Da redet kein Mensch drüber."

Transkription: Fabian Helms, 12. April 2006, Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=1195
Themenseite mit Text von Jürgen Amrhein, 11. April 2006: http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=1192