Ferienzeit – Sommerloch – Wiederholungen

kulturradiorbb, im August 2009

Das kulturradiorbb präsentiert in der Ferienzeit Wiederholungen der „CD der Woche“ und behauptet gegenüber den Hörern, es würde sich um aktuelle CDs handeln. Diese Täuschung bestätigt erneut den fahrlässigen und abschätzigen Umgang des Senders mit der Musik und seinen Hörern.

Statt aktueller „CD der Woche“ nur Wiederholungen

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Von Jürgen Thomas

Seit Anfang 2007 weist das kulturradiorbb jeweils auf eine „CD der Woche“ hin. Montags um 9.45 Uhr wird sie inhaltlich vorgestellt; dazu gibt es einen oder zwei Auszüge zu hören, die mit etwa 5 Minuten Dauer ins Raster des Tagesbegleitprogramms passen. Im Laufe der Woche gibt es zu unterschiedlichen Zeiten ein- oder zweimal täglich weitere Ausschnitte zu hören, zusammen mit einer Kurzfassung des Inhalts.

Am 11. August 2009 hörte ich im „Kulturradio am Morgen“ folgende Einführung:

Auf ihrer neuen CD, die gerade bei Berlin Classics erschienen ist, präsentiert (Simone Kermes) sich jetzt erneut mit Musik von Georg Friedrich Händel, und zwar mit „Arien für Cuzzoni“.

Das überraschte mich sehr. Gab es diese „Arien für Cuzzoni“ nicht früher schon als „CD der Woche“? Neugierig geworden, verglich ich die Vorstellungen dieses Jahres und muss mich über die Verfahren beim kulturradiorbb doch sehr wundern.

Aktuelle Wiederholungen

Der RBB nimmt es ganz und gar nicht genau mit der Aktualität einer CD und der deutschen Sprache, wenn er von „gerade“ und „jetzt“ spricht. Ich stellte die folgenden Wiederholungen fest.

• Thomas Zehetmair spielt Mozart
 Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzerte Nr. 1-5
 Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonia concertante Es-Dur KV 364
 Thomas Zehetmair, Violine; Ruth Killius, Viola
 Orchestra of the Eighteenth Century – Leitung: Frans Brüggen
Vorstellung durch Ulrike Klobes als „CD der Woche“ bereits in der Woche vom 9. bis 14. März * und als Wiederholung vom 3. bis 8. August

• Georg Friedrich Händel: „Arien für Cuzzoni“
 Simone Kermes, Sopran

 Arien aus Scipione, Giulio Cesare, Alessandro, Rodelinda, Siroe, Tolomeo, Flavio,
  Riccardo primo, Admento
 Lautten Compagney – Leitung: Wolfgang Katschner
Vorstellung durch Ulrike Jährling als „CD der Woche“ bereits in der Woche vom 30. März bis 4. April * und als Wiederholung vom 10. bis 15. August

• Friedrich II. "Der Große": Die Flötenkonzerte Vol. 2
Christoph Huntgeburth, Traversflöte;
 Ensemble Sans Souci Berlin
Vorstellung durch Volker Michael als „CD der Woche“ bereits in der Woche vom 16. bis 21. Februar * und als Wiederholung vom 17. bis 22. August

• Joseph Haydn: "Arie per un'amante"
 Nuria Rial, Sopran

 Margot Oitzinger, Mezzosopran
 L'Orfeo Barockorchester – Leitung: Michi Gaigg
Vorstellung durch Dirk Hühner als „CD der Woche“ bereits in der Woche vom 16. bis 21. März * und als Wiederholung vom 24. bis 29. August

* Diese Seiten stehen unter http://www.kulturradio.de/programm leider nicht mehr zur Verfügung; der Autor dieses Artikels kann sie in der Originalversion schicken.

Wiederholungen in den Vorjahren

Einmal aufgeschreckt, schaute ich mir die Listen der Vorjahre nochmals an und stellte fest: Das scheint System zu haben.

Unter „Eine einzigartige Auswahl?“ hatte Das GANZE Werk bereits die doppelten Vorstellungen des Jahres 2008 dokumentiert:

• Bach: Partiten 2, 3, 4 – Murray Perahia
   am 07.04.2008 und am 04.08.2008
• Frédéric Chopin: 24 préludes op.28 u.a. – Alexandre Tharaud
   am 21.04.2008 und am 18.08.2008
• Christoph Hartmann: „Bella Napoli“ – Oboenkonzerte
   am 19.05.2008 und am 11.08.2008
• Wolfgang Amadeus Mozart: „Violinkonzerte“ – Mit Guliano Carmignola, Violine
   am 23.06.2008 und am 25.08.2008

Auch 2007 hat das kulturradiorbb nicht nur Neues gebracht:

• Jan Vogler, MY TUNES
   am 26.02.2007 und am 06.08.2007
• Nikolai Tokarew spielt Klaviermusik von Chopin, Schubert u.a.
   am 16.04.2007 und am 13.08.2007
• Nicole Cabell – Soprano
   am 23.04.2007 und am 20.08.2007

Gründe für solche Wiederholungen

Leider hat das kulturradiorbb noch niemals Gründe dafür genannt, warum eine bestimmte Neuerscheinung (oder auch eine nicht ganz so neue CD) zur „CD der Woche“ erklärt wird. Uns bleiben deshalb nur Spekulationen.

• „Dussmann, das Kulturkaufhaus“, das für den RBB eine besondere Bedeutung hat, drängt auf eine erneute Vorstellung, weil zu wenig verkauft wurde; oder es wurde soviel verkauft, dass RBB und Dussmann davon mit einer nochmaligen Präsentation profitieren wollen.

• Die leitenden Redakteure misstrauen den Fachredakteuren (entweder ihrer Fachkenntnis oder ihrer Hörigkeit gegenüber Handel und Industrie): Nur sie selbst dürfen auswählen; wenn sie in Urlaub sind, wird auf Konserven zurückgegriffen.

• Der RBB hält seine Hörer für so unbedarft, dass er ihnen Wiederholungen als „Erstsendung“ verkaufen könne – verbunden mit unwahren Behauptungen, eine vor einem halben Jahr erschienene und schon vorgestellte CD sei aktuell und gerade neu auf dem Markt.

Weder für die ursprüngliche Auswahl noch für die Auswahl der Konserven können wir Kriterien erkennen. Es muss jedem RBB-Hörer und Leser dieses Beitrags überlassen bleiben zu entscheiden, welche Gründe als wahrscheinlich und welche als abwegig gelten müssen.

Immer wieder: Beschränktheit bei der Musikauswahl

Es ist zum Verzweifeln – unter welchem Gesichtspunkt auch immer man sich die Musikauswahl beim kulturradiorbb vornimmt: Das oberste Ziel dieses Kulturradios ist die Trivialisierung der Kultur. So lautete auch das Ergebnis unserer Untersuchung für 2008:

Die „CD der Woche“ ist ein Kind der Werbung, mit bevorzugter Herkunft und ohne Qualitätsnachweis: Nicht empfehlenswert.

• kurze Musik-Ausschnitte
• nur eine knappe inhaltliche Vorstellung
• Überbetonung des Interpreten (überwiegend mit banalen Formulierungen und Lobhudelei)
• das Ganze verbunden mit penetrant wirkender Werbung und Bevorzugung der großen Produktionsfirmen

Unmotivierte und unbegründete Wiederholungen einzelner Präsentationen verstärken diesen Eindruck. Ich meine, die „CD der Woche“ ist Werbung in einem offiziell werbefreien Programm. Das kulturradiorbb bleibt uns einen Qualitätsnachweis schuldig; es kommt seinem Kulturauftrag nicht nach.