Korrespondenz mit NDR Kultur

Teil 2 der dreiteiligen, ironisch gemeinten Kritikreihe „Mein schönstes Hörerlebnis“ mit einer abschließenden offiziellen Information der HTG (Januar/Februar 2004)

Reinbek, 10. Februar 2004

An die Internet-Kontaktecke von NDR Kultur

Ein herrliches Concerto von Johann Friedrich Fasch,
aber vorher kein einziger Hinweis auf dieses Stück

„Mein schönstes Hörerlebnis“, Teil 2
Der ganze „moderne“ Schnickschnack drumherum

„Warum muss ich denn so viel raten? Warum sind der Name des Moderators oder die Sache Boeing 647 oder die Erkennungsmelodie wichtiger?“

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9. Februar 2004, nach 14 Uhr. Auf dem Weg zu einer Schule in Boberg, in der ich einen Multimedia-Kurs gebe, höre ich NDR-Kultur. Eigentlich weniger, weil ich die Sendungen toll finde, sondern mehr, weil ich Informationen zur Kritik an der neuen Machart seit 2 Jahren sammle und mitreden möchte.

Es kommt dieses und jenes und ein längere Zwischenmoderation zur Boeing 647 vor. Was hat dies mit Musik und Kultur zu tun, frage ich mich entrüstet. Kann man die hier verschwendete Anzahl an belanglosen Wörtern nicht lieber zur Information über die ausgesendete Musik umbuchen? Richtig informativ ist es auch nicht, könnte man dann doch wenigstens darüber aufklären - was eine Wirtschaftsredaktion gemacht hätte -, dass Airbus nicht einfach nur Konkurrent ist, sondern gerade erst vor kurzem Boeing überholt hat. Also: unnötiges Gerede oder ein verbales Dahinplätschern...

Soweit ich mich erinnere, ertönt dann erst einmal die merkwürdige, penetrante, nervige Erkennungsmelodie.

Vor dem nächsten Musikbeitrag kommt keine einzige Erklärung, und das nehme ich dem Sender wirklich übel.

Es folgt ein herrliches Konzert - und ausnahmsweise sogar mit allen seinen drei Sätzen, bravo! -, mit alten Instrumenten und hervorragend gespielt. Ein Hörgenuss, wie er viel öfter sein sollte! Aber was ist zu hören? Ein Concerto von Heinichen, das ich noch nicht kenne? Oder von Pisendel? Oder von wem? Warum wird eine solche Information, wenn überhaupt, prinzipiell nur ein einziges Mal gegeben (und oft nur dürftig)? Warum muss ich denn, wenn es nicht die immer selben Sätze von J.S.Bach sind, so viel raten? Warum sind der Name des Moderators oder die Sache Boeing 647 oder die Erkennungsmelodie wichtiger?

Hinterher wurde alles ausführlich benannt: Johann Friedrich Fasch usw., Tonart, Interpreten. Das zu hören, erfreut Musikliebhaber viel mehr als der ganze „moderne“ Schnickschnack drumherum.

Also: Ein tolles vollständiges Konzert, aber ziemlich schlecht, unter Wert eingepackt.

Ich bitte Sie eindringlich, das wieder rückgängig zu machen!

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Theodor Clostermann.

PS: Ich schreibe hier nur meine eigene Meinung auf Grund eigener Erfahrungen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich Vorsitzender der Hamburger-Telemann-Gesellschaft bin und überlege, ob wir nicht vielleicht öffentlichkeitswirksam gegen den kulturellen Verfall im Hörfunk vorgehen sollten. Von so vielen Musikliebhabern höre ich, dass sie bitter enttäuscht sind. - Ich habe mir vor kurzem vorgenommen, Ihnen in Zukunft 1 x pro Woche „mein schönstes Hörerlebnis“ (im ironischen Sinn natürlich) zu schildern. Das war heute Teil 2.

Lesen Sie die anderen Teile der ironisch gemeinten Reihe „Mein schönstes Hörerlebnis“ mit einer abschließenden offiziellen Information der HTG:
Teil 1: Wer hat nun gespielt? Weil ja vorher schon ein mündlicher Beitrag war, keine einzige Erklärung. - Reinbek, 26. Januar 2004
Teil 3: Carmen. Auf in den Kampf...? Nein! Erst kommt die nervige Erkennungsmelodie von NDR-Kultur! - Reinbek, 15. Februar 2004
Teil 4: Das ist kein Trompetenkonzert von Telemann - Abschließende offizielle Information der HTG zu einem Fehler im Musikprogramm von NDR Kultur - Reinbek, 16. Februar 2004

Zwei Nachträge zu den folgenden Ereignissen:

1. Abgesehen von der grundsätzlichen Antwort von Michael Schreiber, Musikchef von NDR Kultur, am 26. Februar 2004 auf die Reihe „Mein schönstes Hörerlebnis“ - eigentlich nur auf den ersten Brief - gab es keine Reaktion auf die konkrete Kritik an der Boeing-Fasch-Moderation usw.

2. Die weitere Auseinandersetzung mit Herrn Schreiber und Frau Mirow, der Wellenchefin von NDR Kultur, führte zur Resolution „Kritik an NDR Kultur“ der Hamburger Telemann-Gesellschaft (25. April 2004) und zur Gründung des Initiativkreises Das GANZE Werk (15. Juni 2004).