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Das kommt uns irgendwie bekannt vor...
Alt-Ministerpräsident Ernst Albrecht lässt grüßen.

Niedersachsen droht mit Ausstieg aus dem NDR

Christian Wulff: Der Sender ist dem Regierungschef zu bürokratisch und bringt zuwenig über sein Bundesland.

Von Ludger Fertmann

Hannover - Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ist unzufrieden mit dem NDR. Dem hat er mit umfangreichen Forderungen Nachdruck verliehen: Daß es bei Gremiensitzungen des Senders Sitzungsgelder auch für Abwesende gibt, gefällt Wulff ebensowenig wie die Tatsache, daß im Rundfunkrat 58 Mitglieder sitzen. Er möchte mehr Berichte aus Niedersachsen auf N 3, und das abendliche TV-Landesprogramm "Hallo Niedersachsen" soll bei der Übertragung via Satellit Vorrang bekommen vor Mecklenburg-Vorpommern.

Auf die Frage allerdings, ob er für diese und weitere Forderungen auch bereit sei, den Staatsvertrag mit der Vier-Länder-Anstalt zu kündigen, wie er in einem Zeitungsbericht gedroht hatte, mochte Wulff am Freitag nicht direkt antworten: "Man soll nicht unbescheiden sein und nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen." Aber genau so war er vor wenigen Wochen vorgegangen, als er erst die Bürokratie der Kultusministerkonferenz (KMK) kritisierte und dann kurz darauf die Verträge zur KMK kündigte. Ohne Rücksicht darauf, daß auch Parteifreunde in anderen Bundesländern vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.

Am Freitag nach der Konferenz der norddeutschen Ministerpräsidenten in Hannover erklärte Wulff, daß er zwar fest von erfolgreichen Verhandlungen mit den drei Partnerländern über einzelne Wünsche ausgeht, aber die Kündigung "nicht ausschließen kann".

Genau so hatten es am Vormittag die Regierungschefs Heide Simonis (Schleswig-Holstein), Ole von Beust (Hamburg), Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern) und Henning Scherf (Bremen) in dem Zeitungsbericht lesen können, als sie in Hannover eintrafen. Mit Befriedigung wurde vor allem von den Schleswig-Holsteinern zur Kenntnis genommen, daß auch Hamburg deutlich machte, daß man wenig von einer Staatsvertragskündigung hält. Angesichts von Wulffs konkreten Forderungen drängt jedoch die Zeit. Ende Februar läuft der Termin für eine mögliche Kündigung ab, die dann 2007 wirksam würde. Ohne Kündigung würde der Staatsvertrag sich automatisch verlängern.

Die Nervosität auf der Führungsebene des NDR ist groß, Zuspruch für den Sender gab es vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Dessen niedersächsischer Landesvorsitzender Hartmut Tölle verwies auf die demokratisch legitimierten Gremien des Senders.

Deutlicher noch wurden die niedersächsischen Grünen. Sie erinnerten Wulff an die verfassungsrechtlichen Grundlagen: "Rundfunkfreiheit ist Programmfreiheit." Aus grüner Sicht steht weniger als zwei Jahre nach der Regierungsübernahme durch die CDU-FDP-Koalition schon "der zweite medienpolitische Sündenfall" ins Haus. Bereits bei der Novellierung des Landesmediengesetzes sei es Wulff letztlich "um die Durchsetzung parteipolitischer Interessen gegangen".

Hamburger Abendblatt, 4. Dezember 2004

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