Das GANZE Werk - Presseschau

Frankfurter Rundschau, 18. Februar 2005

Vertreter der Länder wollten in Brüssel wissen, was die EU-Kommission von ARD und ZDF verlangt

Warten auf den Blauen Brief

• Kommissarin Kroes (laut Stadelmaier): Die Definition, was Programmauftrag sei, sei Aufgabe der Mitgliedsstaaten
• Die eigentliche Herausforderung: Das weit verzweigte privatrechtliche Firmennetz von ARD und ZDF

Von Markus Brauck

Die Maus auf glattem Eis (Screenshot)

Um die Oberen von ARD und ZDF so richtig auf die Palme zu bringen, musste man in den vergangenen Wochen nur einen Namen nennen: Neelie Kroes. Die EU-Wettbewerbskommissarin steht im Ruf, am Ast zu sägen, an dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland hängt: den Gebühren. Ende Februar wird sie einen Brief mit einigen unangenehmen Fragen an die Sender schicken, in denen es vor allem um eins geht: Missbrauchen ARD und ZDF die Rundfunkgebühren, um wirtschaftliche Konkurrenz zu benachteiligen? Bekommen sie also letztlich Geld für etwas, wofür die Gebühren nicht da sein sollten?

Gemeinsam gegen Brüssel?

Der Brief, der kommen wird, sorgt schon jetzt für große Aufregung. ZDF-Intendant Markus Schächter sah ARD und ZDF schon einmal vorsorglich "in den Schwitzkasten" genommen. Die Intendanten versicherten sich eilig der Unterstützung der Bundesländer, um Front zu machen gegen Brüssel. Gemeinsam müsse abgewendet werden, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten unter Brüsseler Aufsicht gestellt würden.

Am Mittwoch nun fuhren Martin Stadelmaier, der Chef der Mainzer Staatskanzlei, und andere Ländervertreter nach Brüssel, um bei Kroes vorzutasten, was denn alles drinstehen werde in ihrem blauen Brief. Ihr Besuch hat die Fronten jedenfalls nicht verschärft, im Gegenteil. Stadelmaier gab auf Anfrage der FR erst einmal Entwarnung. Die Europäische Kommission sei "nicht auf dem Kriegspfad", mithin also nicht interessiert, das deutsche Rundfunkgebührensystem zu zerschlagen.

Kommissarin Kroes sei freundlich gewesen und habe deutlich gemacht, dass ihr an einem lösungsorientierten Gespräch gelegen sei. Letztlich, so sagte Stadelmaier, gehe es der Kommissarin um mehr Transparenz bei den Finanzen von ARD und ZDF. Vor allem, um dann sehen zu können, welche Aktivitäten vom Programmauftrag gedeckt sind und welche nicht. Auch habe Kroes zugesichert, dass die Kommission den Amsterdamer Vertrag nicht neu interpretieren wolle, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Kulturhoheit der Mitgliedsländer unterstellt. Die Definition, was Programmauftrag sei und was nicht, sei ganz allein Aufgabe der Mitgliedsstaaten. Darüber habe keinerlei Meinungsverschiedenheit geherrscht, so Stadelmaier. Allerdings gingen Kroes die Konkretisierungen des Auftrags in Deutschland nicht weit genug.

Das ganz große Unheil, das ARD und ZDF erwartet haben, wird vermutlich nicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hereinbrechen. Allerdings, wie es in der Natur solcher Treffen liegt, wurde über Details noch nicht beraten, und auch Stadelmaier, der insgesamt zuversichtlich ist, sagt, das ganze Brüsseler Verfahren werde "sicher kein Spaziergang".

Bereits im vergangenen Sommer hatten sich ARD und ZDF verpflichtet, einen Verhaltenskodex zu erarbeiten. Das geschieht nach dem Vorbild der britischen BBC, die ebenfalls von der Kommission kritisch beäugt worden war.

Ins Rollen gekommen war das Brüsseler Verfahren durch einen Antrag des VPRT, des Verbandes der Privatsender. Die sehen besonders bei den Internetangeboten eine Verzerrung des Wettbewerbs. ARD und ZDF betreiben schließlich nicht nur Informationsportale im Internet, sondern haben auch Angebote, die nach Ansicht der Privatsender nicht mehr vom Programmauftrag gedeckt sind. Flirtchats für Jugendliche etwa oder E-Commerce-Aktivitäten.

Vorauseilender Gehorsam

Dass sie ihre Online-Aktivitäten zurückfahren mussten, haben ARD und ZDF bereits in vorauseilendem Gehorsam akzeptiert. Das ZDF hat seine Zusammenarbeit mit dem Internet-Anbieter T-Online beendet. Der WDR-Kochshop fuhr das E-Commerce-Angebot herunter.

Doch die eigentliche Herausforderung steht ARD und ZDF noch bevor: Ihre Aktivitäten, gerade in ihrem weit verzweigten privatrechtlichen Firmennetz, tatsächlich transparent zu machen. Das haben vor Neeli Kroes schon andere vergeblich verlangt, unter anderem die Gebührenkommission KEF. Doch Brüssel macht einen ganz anderen Druck. Auch ohne Kriegsbemalung.

Brisant: Originaltext EU-Kommission (Pdf-Format, 105 kb)
Die "Schlussfolgerungen" der "Generaldirektion Wettbewerb"
Sie ist "zur vorläufigen Auffassung gelangt, dass es sich bei der Finanzierung durch Rundfunkgebühren um eine Staatliche Beihilfe handelt."
EU-Kommission, 3. März 2005

Öffentlich-rechtlich oder öffentlich bestechlich
Gedanken über das duale System unseres Rundfunks von Klaus Bernbacher
neue musikzeitung (nmz) 2004/12-2005/01

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