Das GANZE Werk - Presseschau

Zitate:
Am Ende gab es ein alternativloses Konzept (für ein Jugendradio) von Hörfunkchef Johannes Grotzky – und einen Finanzposten von vier Millionen Euro dazu allein im Hörfunketat.
Intendant Thomas Gruber hatte schon vorab erklärt, Jugendangebot und Bayern 4 Klassik nicht zum ‚Gegenstand eines plebiszitären Akts‘ zu machen.
Die Verdrängung von Bayern 4 Klassik sei gar nicht zur Debatte gestanden, berichtete Ruth Brosche, Vorsitzende des Hörfunkausschusses.
Die Entwickler um Rainer Tief, den Wellenchef von BR 3, und Ulrike Ebenbeck, die Zündfunk-Chefin, hatten offenbar zum Digitalradio stets die parallele UKW-Verbreitung als Planungsgrundlage.

SZ-Artikel und Abschlusskommentar der Redaktion Das GANZE Werk:
Ein wirkungsvoller Hörer-Akt
35.813 Unterschriften und ein beachtenswerter Prominentenaufruf

Süddeutsche Zeitung, 9. Dezember 2006

Ein junges Rauschen

Tief in Bayern: BR-Neuheit überall – nur nicht auf UKW

Von Claudia Tieschky

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Seit Beginn der Debatte um ein Jugendradio („Junge Welle“) hat es der Bayerische Rundfunk (BR) ungewohnt direkt mit Hörern zu tun bekommen. Erst mit den Freunden des Jugendmagazins Zündfunk von Bayern 2, die Nachteile für ihr Lieblingsprogramm fürchteten. Die Freunde der klassischen Musik wiederum mobilisierten gegen eine im BR diskutierte Verdrängung von Bayern 4 Klassik aus dem UKW-Netz ins Digitalradio. Und am Ende formierte sich eilig ein farbiges Bündnis „Ja zur Jungen Welle auf UKW!“, in dem sich nicht nur Junge Union, Jusos, Grüne Jugend und Bayerischer Jugendring solidarisierten, sondern auch wieder die Aktion Zündfunk.retten.de, die anfangs mal gegen die Jungwelle gewesen war.

Mancher im Münchner Rundfunkrat fühlte sich von all dem durchaus belästigt. Von verstopften E-Mail-Accounts, von „Druck am Rand des Unanständigen“ und von „Kampagnen“ war am Donnerstag bei der abschließenden Sitzung im Funkhaus die Rede. Am Ende gab es ein alternativloses Konzept von Hörfunkchef Johannes Grotzky – und einen Finanzposten von vier Millionen Euro dazu allein im Hörfunketat. Intendant Thomas Gruber hatte schon vorab erklärt, Jugendangebot und Bayern 4 Klassik nicht zum „Gegenstand eines plebiszitären Akts“ zu machen. Eine Reformdiskussion zugunsten der Jungen Welle über die Programme Bayern 1 (populär) und Bayern 3 (werbestark) schloss Gruber am Donnerstag aus. Junge Hörer, das zeigt die Statistik, schwinden. Die Räte rieten. Demnach soll im Herbst 2007 ein multimediales BR-Jugendangebot starten – und zwar überall, nur nicht auf UKW. Also als Live-Stream im Internet mit Podcasts, als Digitalradio über Antenne und Satellit; teilweise im TV-Programm von BR alpha und – wirklich – über Mittelwelle. Ein junges Rauschen?

Verhandelt wird auch über Einspeisung ins digitale Kabelnetz – was ohne UKW-Basis zusätzlich kostet, sowie über Hörfenster in bestehenden BR-Programmen. Die Verdrängung von Bayern 4 Klassik sei gar nicht zur Debatte gestanden, berichtete Ruth Brosche, Vorsitzende des Hörfunkausschusses. Manche Räte beklagten Informationsmangel. Alles ein Missverständnis?

Zur Debatte steht allerdings jetzt, wie das allseits gelobte Konzept für die Junge Welle dem Grotzky-Plan angepasst wird – und ob das Angebot über ein frequenzschwaches Digitalradionetz tief in Bayern überhaupt konsumiert werden kann. Die Entwickler um Rainer Tief, den Wellenchef von BR 3, und Ulrike Ebenbeck, die Zündfunk-Chefin, hatten offenbar zum Digitalradio stets die parallele UKW-Verbreitung als Planungsgrundlage. Wie es euch gefällt: Ein Happy End hängt vom Technologieausbau ab, der bisher nicht gelang. Junge Hörer, das wissen die Planer, sind da ein prima Argument.

Mit freundlicher Genehmigung von Süddeutsche Zeitung Content

Abschlusskommentar der Redaktion Das GANZE Werk

Ein wirkungsvoller Hörer-Akt

35.813 Unterschriften und ein beachtenswerter Prominentenaufruf

„Intendant Thomas Gruber hatte schon vorab erklärt, Jugendangebot und Bayern 4 Klassik nicht zum ‚Gegenstand eines plebiszitären Akts‘ zu machen.“ (siehe oben)

Herr Gruber hatte aber selbst den Plan einer Jugendwelle auf UKW auf Kosten von Bayern 4 Klassik ins Spiel gebracht, und zwar am 26. Januar 2006 im Rheinischen Merkur:

Es ist aber vorstellbar, dass wir Bayern 4 Klassik eines Tages nicht mehr über UKW verbreiten, sondern digital und flächendeckend in viel besserer Klangqualität als heute üblich. Ich finde es nicht verwerflich, sich vorzustellen, einem attraktiven, jungen Programm die UKW-Frequenz zu geben und ein sehr viel kleineres, anspruchsvolles Klassik-Publikum, das jetzt schon in erheblicher Zahl auf das Kabel zurückgreift, auf digitalem Weg zu bedienen.

Der Bayerische Musikrat war also sehr gut beraten, nach der alarmierenden Rundfunkratssitzung im Oktober die großangelegte Unterschriftensammlung durchzuführen, denn der Original-Gruber-Plan hielt sich im Bayerischen Rundfunk bis zuletzt:

Die Entwickler um Rainer Tief, den Wellenchef von BR 3, und Ulrike Ebenbeck, die Zündfunk-Chefin, hatten offenbar zum Digitalradio stets die parallele UKW-Verbreitung als Planungsgrundlage.

Jetzt muss also tatsächlich neu bzw. anders geplant werden, ohne UKW:

Demnach soll im Herbst 2007 ein multimediales BR-Jugendangebot starten. (siehe oben)

Den Aufruf des Bayerischen Musikrats haben 35.813 Hörer unterschrieben, ein großer Erfolg. Ein Votum vieler Hörer hat den tief-gehenden Plan abgewehrt, der noch nicht einmal mit dem Kulturauftrag abgestimmt war. Und: trotz des Vorbehalts von Intendant Gruber gegenüber einem „plebiszitären Akt“ - das Votum der Hörer war ausschlaggebend: je erfolgreicher die Unterschriftenaktion und die Prominentenunterstützung verliefen, desto verbindlicher wurden die Zusicherungen für den Erhalt von Bayern 4 Klassik auf UKW:

1.: Wenn der Rundfunkrat eine Mehrheits-Empfehlung für (eine Junge Welle auf) UKW gibt, bin ich mir sicher, dass wir es machen.
(BR-Hörfunkdirektor Johannes Grotzky am 23. Oktober 2006)
2.: Von Seiten der Geschäftsführung des Bayerischen Rundfunks steht die Ausstrahlung von Bayern 4 Klassik auf UKW nicht zur Disposition.
(BR-Hörfunkdirektor Johannes Grotzky am 16. November 2006)
3.: Am Ende gab es ein alternativloses Konzept (für ein Jugendradio) von Hörfunkchef Johannes Grotzky – und einen Finanzposten von vier Millionen Euro dazu allein im Hörfunketat (am 7. Dezember 2006, siehe oben).

Eine wichtige Lektion der Auseinandersetzung: Die Hörer sind nicht nur als Nutzer und als Gebührenzahler wichtig, sondern gewinnen auch dadurch an Einfluss, dass sie sich gemeinsam für ein schützenswertes Kulturgut stark machen.

Nachdem Das GANZE Werk dringend um Unterstützung gebeten worden ist, haben wir es im Rahmen unserer Möglichkeiten publizistisch getan, hätte uns doch - in unserer Kampagne zur Wiederherstellung der Radiokultur auf NDR Kultur - ein Ende von Bayern 4 Klassik auf UKW sehr geschadet, während uns jetzt der Erfolg zur Rettung von Bayern 4 Klassik auf UKW sehr nützt.

Vor einigen Tagen schrieb uns der Präsident des Bayerischen Musikrats, Wilfried Hiller:

Vielen Dank für Ihre Mühe um die deutsche Kultur.

Verfasst am 10. Dezember 2006

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